tahor (hebr.) – kultisch rein, kultfähig, kultverträglich; katharos (griech.) – rein, erlaubt, rituell; katharismos (griech.) – (rituelle) Reinigung, Heilung; tame (hebr.) – kultisch unrein, kultunfähig, kultisch untauglich; akatharsia (griech.) – Unreinheit; koinos (griech.) – unrein, alltäglich.
Tiere, Gegenstände, Nahrungsmittel und körperliche Zustände bei Frauen und Männern können als unrein
bezeichnet werden und erfordern ein besonderes Vorgehen, um die Reinheit wieder herzustellen. Dies hat nichts mit Schmutz, Disqualifizierung oder gar moralischer Minderwertigkeit zu tun, sondern mit kultischer Reinheit, mit Kult- und Kontaktfähigkeit mit dem Heiligen (↑ kadosch). Es geht um einen lebensförderlichen Umgang mit dem, was im Alltag notgedrungen unrein macht. Das versuchen die Begriffe kultisch rein
, kultfähig
, kultverträglich
oder Umschreibungen wie was die Heiligkeit verletzt
(2 Kor 6,17) auszudrücken. Im Zentrum der Bestimmungen von rein und unrein (Lev 19,2; 11,44; 10,10) steht die Leben spendende Heiligkeit Gottes. Unreines darf mit Heiligem nicht in Berührung kommen und alles, was mit dem Bereich des Todes und mit dem Verlust von Lebenskraft zusammenhängt, gilt als unrein. Durch festgelegte Verfahren können die betroffenen Menschen wieder in den Zustand der Kultfähigkeit kommen.
So machen z. B. Aussatz, genitale Ausflüsse nach der Geburt, Menstruation und Samenerguss unrein, da sie als eine Schwächung von Lebensenergie erlebt und gedeutet werden (Lev 12 – 15). Zwar sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen, dennoch ist eine patriarchale Verschiebung zu Ungunsten der Frauen auszumachen (Lev 12,2.5). Es gibt aber keinerlei Belege für eine Isolation oder gar Abwertung von Frauen, die im Zustand der Unreinheit sind (auch in Mk 5,25-34 nicht). Frauen und Männer opfern gleichermaßen nach vorübergegangenem un-reinem Zustand wieder am Tempel (↑ Opfer). Die Kategorien rein – unrein
werden dann auch metaphorisch gebraucht, um z. B. Götzendienst und ↑ Sünde zu kennzeichnen (z. B. Jer 2,7.23; 3,1, vgl. Dtn 24,1-4, sowie mehrfach in Ez 20 und 23).
Die Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren (Lev 11) ist als Klassifizierungs- und Ordnungssystem zu verstehen. Ein ordentlicher
Fisch ist ein Fisch mit Schuppen, darum ist ein Aal gewissermaßen ein aus der Ordnung irgendwie herausfallender Fisch und unrein. Die Speisegebote, die sich daraus einwickeln, prägen als sog. Kaschrut bis heute den Alltag von Jüdinnen und Juden. Dahinter steht die Auffassung, dass Religion nie nur innerlich ist und dass das äußerliche Verhalten im Alltag Symbol- und Bekenntniswert hat. Das Reinigungsbad, die Mikwe, findet im Judentum als Reinigungsbad v. a. für jüdisch-orthodoxe Frauen nach der Menstruation Anwendung, wird in letzter Zeit jedoch darüber hinaus von anderen jüdischen Frauen als rituelles Bad entdeckt, um Lebensübergänge zu begleiten.
Die Jesusbewegung steht in der Tradition der atl. Gedanken über Reinheit und Heiligung (↑ kadosch) als gottgemäßes Handeln im Alltag. Die ntl. Aussagen sind vor dem Hintergrund der damaligen vielfältigen Diskussionen und Konflikte um Reinheitsfragen zu lesen (Gal 2,11-14; Apg 10,1 – 11,18; Mk 7,1-23; Lk 11,37-41). So plädiert Jakobus für eine Gemeinschaft zwischen Jüdinnen und Juden und Menschen aus den Völkern, bei denen ein die Kaschrut einschließender Minimalkonsens verbindlich sein soll (Apg 15,20.29). Die Reinheits- und Unreinheitsgebote der Tora wurden im frühen Christentum nicht in Frage gestellt und auch von Jesus nicht kritisiert. (U. B.)