Rainer Kessler, Die „Bibel in gerechter Sprache“ – Sachstand und
Übersetzungserfahrungen, in: E. Werner (Hg.), Jahrbuch zur
Wissenschaft der Bibelübersetzung. Forum Bibelübersetzung 2013-2015,
Nürnberg 2016, 19-30

Hier finden Sie einen ausführlichen kritischen Beitrag von Jürgen Ebach
zur neuen Revision der Lutherbibel

Neben Ausgangssprache und Zielsprache beobachtet Martin Leutzsch noch eine dritte Größe für die Wahrnehmung von Übersetzung: eine schon vorliegende Übersetzung in die Zielsprache, die umso mehr zum Leitkriterium wird, je weniger vertraut die Ausgangssprachen der Bibel bei den Rezipierenden sind.

Unzureichende Profiltiefe ist bei Autoreifen ein Mangel – Bibelübersetzungen kommen mit klarem Profil auch bessern an!

So die Anfangsthese, mit der Kerstin Schiffner im Heft 4/2012 der Zeitschrift ‚Bibel und Liturgie‘ (hg. v. Kath. Bibelwerk Österreich) über die BigS geschrieben hat – im Rahmen des Schwerpunktthemas ‚Das ewig junge Gotteswort. Neue Bibelübersetzungen‘.

Gerechtigkeit gegenüber dem Text, in Genderfragen wie im Hinblick auf das jüdisch-christliche Gespräch und soziale Realitäten sind dabei ebenso Thema wie 10 Jahre BigS im Zeitraffer, Streiflichter in die Rezeption und schließlich gibt es gar Wünsche, ein Geständnis und ein ‚Bekenntnis‘ …

Am Geislinger Bußtag 2007, 21. November, hielt Dr. Marlene Crüsemann, Bielefeld, einen Vortrag über „Für alle, die deinen Namen lieben“ (Ps. 5, 12). Der Gottesname stand im Mittelpunkt. Dass Gott überhaupt einen Namen hat, ist vielen nicht bewusst und ist eine Besonderheit biblischer Tradition. Dr. Marlene Crüsemann, Theologin, Übersetzerin und Mitherausgeberin der herausgekommenen Bibel in gerechter Sprache ist diesem Phänomen nachgegangen.
In einem Interview äußerte sie sich zu dem Projekt „Bibel in gerechter Sprache“:
Frage: Würden Sie nach all den Erfahrungen das Projekt nochmals anpacken?
M.C.: Das Projekt war notwendig. Die Resonanz zeigt das, sehr viele Menschen haben darauf gewartet. Wenn wir es nicht begonnen hätten, müssten wir es spätestens jetzt tun.
Das Gespräch führten Anita Gröh und Gerlinde Hühn.

Grußwort anlässlich der Verabschiedung von Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter

im Dom zu Lübeck 6. Juli 2008

von Dr. Marlene Crüsemann, Mitherausgeberin der Bibel in gerechter Sprache

… Von Anfang an bist Du eine Lehrerin der Gerechtigkeit. So schreibst Du schon in deinem Buch von 1986: Gerechtigkeit ist ein ›Herzstück der Bibel‹. Gerechtigkeit ist in der Bibel ein Gemeinschaftsbegriff: Es geht um gerechte, richtige, Leben eröffnende Beziehungen zwischen Gott und Menschen und zwischen den Menschen untereinander. Die Gerechtigkeit ist ein weltweiter Raum, in dem alle aufatmen, weil sie gegenseitig geben und voneinander nehmen: Schwache und Starke, Reiche und Arme, Männer und Frauen, oder mit Gal 3,28 zu sprechen: griechisch und jüdisch, männlich und weiblich, versklavt und frei. Gerechtigkeit verändert die Beziehungen so, dass alle in ihnen aufleben können, sie ist eine Kraft Gottes…

… Mit Deinen eigenen Worten gesagt: »Durch feministisch theologische Praxis hat sich die Sprache in den Gottesdiensten, Amtshandlungen und Andachten verändert. Der achtsame Umgang mit einer Sprache, die Frauen und Männern gerecht wird, hat die Spiritualität vertieft und die Gottesdienste authentischer gemacht«…

Martin Leutzsch widmet sich besonders der unterschiedlichen Übersetzung zentraler Begriffe (nomos, pistis und ethnä) in einer Vielzahl von Bibelübersetzungen. Er zeigt den Entscheidungsspielraum auf und beschreibt, dass in der ›Bibel in gerechter Sprache‹ in Röm 3,27-31 nomos durchgängig mit Tora, pistis durchgängig mit Vertrauen und ethnä mit Völker wiedergegeben ist.

Prof. Dr. Martin Leutzsch, Mitherausgeber

Vortrag vor der Pfarrkonferenz des Evangelischen Kirchenkreises Paderborn in

Bad Driburg am 7. Juni 2006

… Welchen Entscheidungsbedarf gibt es bei ökumenischen Bibelübersetzungen? Auf welchen Ebenen liegen die Probleme? Welche Spielräume und Rücksichtnahmen gibt es bei der Übersetzung der Bibel überhaupt? Um diese Fragen geht es in diesem Vortrag. Mit den Stichworten „traditionell“, „konsensfähig“ und „gerecht“ sind plakativ mögliche Zielsetzungen und Verhältnisbestimmungen von Bibelübersetzungen benannt, deren Verhältnis zueinander zu bedenken sein wird. Was ich Ihnen dazu vortrage, entwickle ich vor allem anhand zweier Beispiele. Das eine ist die Einheitsübersetzung und ihre geplante Revision, das andere die im Herbst 2006 erscheinende „Bibel in gerechter Sprache“, an der ich selbst mitarbeite…

und deutschen Bibelausgaben

Prof. Dr. Frank Crüsemann, Mitherausgeber

Beitrag zum Symposium „sola scriptura“. Zur Aktualität des protestantischen Erbes. Kassel 20. April 2007

Nach einem Eingangsteil über den Zusammenhang von Auslegung und Übersetzung geht Frank Crüsemann auf Kritik an der Bibel in gerechter Sprache ein: …An der Oberfläche der Kontroverse geht es um Übersetzungen, richtige und falsche, bessere und schlechte. Und in der Folge dann um die bekannten Vorwürfe der angeblichen Verfälschung der Texte bis zur Infragestellung des christlichen Bekenntnisses. Doch wenn man dann diese Übersetzungsvorwürfe näher betrachtet, geht es in der Regel um etwas anderes: um unterschiedliche Theologien und abweichende Interpretation, um die Geltung von Traditionen, darum, was das konkret für den Umgang mit der Bibel selbst heißt: „allein die Schrift“…

Erläutert werden die Übersetzungen Gen 2,21f. (Seite/Rippe); Ps 90,12 (bedenken, dass wir sterben müssen/unsere Tage zählen); 1 Thess 4,4 (Gefäß/Frau) und hyios tou anthropou (Mensch bzw. der kommende Mensch bzw. die himmlische Menschengestalt/Menschensohn). Frank Crüsemann erläutert, dass die geschlechtergerechte Sprache in der Bibel in gerechter Sprache nichts Neues ist, sondern konsequent fortführt, was andere Übersetzungen z.B. in den Seligpreisungen und Rechtssätzen ebenso praktizieren.

Begleiterscheinungen neuer Bibelübersetzungen

Das riskante 16. Jahrhundert

Prof. Dr. Martin Leutzsch, Mitherausgeber

in der Zeitschrift für Gottesdienst und Predigt Nr. 2-2007

… Als Hieronymus Ende des 4. Jahrhunderts in kirchenamtlichem Auftrag eine einheitliche lateinische Bibelübersetzung schuf, führte bei einer gottesdienstlichen Erprobung im nordafrikanischen Oea seine Jona-Übersetzung zu einem Eklat. Es kam zu Tumulten in der Stadt, und Hieronymus’ Freund und Gegner Augustinus griff den Vorfall auf, um Hieronymus von seinem Übersetzungsvorhaben überhaupt abzubringen. Das Neue seiner Übersetzung verunsichere nur die christlichen HörerInnen und rufe Misstrauen gegenüber den seit alters gebrauchten, als inspiriert geltenden Übersetzungen hervor. Dabei hatte Hieronymus nur gewagt, die Pflanze, unter der Jona (4,6) saß, mit »Efeu« zu übersetzen; die Erwartungen der HörerInnen waren auf »Kürbis« eingestellt. Aber nicht nur die Erwartungen: Jona unter dem Kürbis war eines der esten Motive der aufblühenden Antiken christlichen Kunst: Bemalte Kirchenwände, Mosaiken, Reliefs auf Sarkophagen standen in Frage, falls Hieronymus’ Übersetzung die zutreffendere war. Hieronymus’ Übersetzung – einschließlich des »Efeus« – setzte sich im Lauf der Jahrhunderte durch und ist seit dem Konzil von Trient für die römisch-katholische Kirche der verbindliche Bibeltext…

Vortrag von Prof. Dr. Micha Brumlik, Mitglied des Beirats mit einer Begrüßung durch Dr. Eva Schulz-Jander, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Kassel.

1. März 2007 in Kassel (Evangelisches Forum).

Im Eingangsteil stellt Micha Brumlik fest:

„Aus meiner Perspektive, als jemand der mehr als zehn Jahre der jüdische Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen“ beim Deutschen Evangelischen Kirchentag gewesen ist und der sich seit vielen Jahren im christlich-jüdischen Dialog engagiert, will ich erläutern, warum ich mich für dieses Projekt „Bibel in gerechter Sprache“ einsetze, wenngleich so ehrlich bin zuzugeben, dass bei so vielen verschiedenen Autorinnen und Autoren ein sprachliches Kunstwerk, wie Martin Luther es geschaffen hat, nicht entstehen konnte. Aber auch ein sprachliches Kunstwerk wie die Luther-Bibel beinhaltet nicht notwendig das, was wir als theologische Wahrheit bezeichnen könnten. Darum bin ich froh, dass die „Bibel in gerechter Sprache“ – zu den Gender-Fragen werde ich heute Abend nichts sagen – in der Frage, wie weit das Neue Testament eine judenfeindliche oder antijudaistische Schrift ist, eine eindeutige Antwort gibt. Gleichzeitig haben wir festzustellen, dass die Art und Weise, wie die Evangelien im Lauf der Geschichte von den Kirchen ausgelegt und verwendet worden sind, durchaus judenfeindlich gewesen ist.“

Im Laufe des folgenden Vortrags geht er u.a. ein auf Joh 8,44; Joh 1; Mt 27,25; Röm 3,19ff und Röm 10.

Zum Erscheinen der erweiterten und durchgesehenen 4. Auflage der Bibel in gerechter Sprache ist vorab in der efi (Die evangelische Frauenzeitschrift für Bayern) ein Beitrag von Hanne Köhler erschienen.

Prof. Dr. Jürgen Ebach, Mitherausgeber

In 2 Mose 24,7 stehen zwei Verben in einer eigentümlichen Reihenfolge. … „Alles, was Adonaj geredet hat, wollen wir tun und hören.“ … Tun und hören – in dieser Reihenfolge. … Tun und hören, etwas Neues machen, um etwas Neues zu sehen – das könnten auch Leitworte des Übersetzungsunternehmens sein, dem dieser Fakultätstag gilt, dem er sozusagen nachhören und nachdenken soll. Das Projekt der Bibel in gerechter Sprache hat etwas Neues gemacht, um etwas Neues sichtbar zu machen. Dem, was wir … da gemacht haben, muss nachgedacht werden und das Nachdenken muss und wird auch zu einem Prozess des Erneut-wieder-Hinschauens, d.h. der Re-Vision führen. Nicht nur die Kirche ist semper reformanda, eine Bibelübersetzung ist es ebenso. Auch Luthers Übersetzung ist kein mit einem Mal fertig gewordenes Werk, sondern ein Prozess, an dem Luther selbst in verschiedenen und in vielem immer wieder revidierten Übersetzungsfassungen gearbeitet hat …

Prof. Dr. Helga Kuhlmann, Mitherausgeberin

Beitrag zum Symposium „sola scriptura“. Kassel 20. April 2007

mit den Abschnitten

I. Textgerechtigkeit

II. Theologische Gerechtigkeitskriterien

III. Das Verhältnis zwischen Textgerechtigkeit und theologischen Gerechtigkeitsaspekten

Der Text ist auch veröffentlicht in der epd-Dokumentation 23/2007 vom 29. Mai 2007.

Allen, die sich zum Thema Bibelübersetzung informieren möchten, oder unter Berufung auf Martin Luther Kritik an der Bibel in gerechter Sprache äußern wollen, sei die Lektüre dieses Sendbriefes empfohlen.

Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter

Begrüßung zur Disputation über die Bibel in gerechter Sprache

Lübeck, 19.2.2007

Darin geht Bischöfin Wartenberg-Potter u. a. auf den Vorwurf der Ketzerei ein und sagt: »Ich erinnere mich an den hussitischen Pfarrer in Prag, der mir vor dem Standbild von Jan Hus, des verbrannten Vorkämpfers der Reformation, erklärte: „Ketzer sagen nichts Falsches, sie sagen es einfach zu früh.“«

Sie macht deutlich in welchen Fragen die Kirchen Neues dazulernen und Altes verlernen müssen. »Das ist konfliktreich und schwer. Aber um des Evangeliums willen, muss man es versuchen.«

Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter

Die Bibel ist kein „Wort-Museum“

Vortrag zur Präsentation der Bibel in gerechter Sprache

Am 28.11.2006 in Kiel

Bischöfin Wartenberg-Potter sieht in diesem Beitrag Parallelen zwischen der Übersetzungsarbeit Martin Luthers und der Bibel in gerechter Sprache. Sehr persönlich bringt sie die Anrede Gottes im Gebet zur Sprache und einen Umgang mit dem Namen Gottes, der das Geheimnis und die Unverfügbarkeit wahrt.

Sie endet mit: „Die Bibel in gerechter Sprache: ein Wagnis, ein mutiger Schritt, den Menschen in die Hände gelegt. Vor ihren Erscheinen habe ich gesagt: Es wird viele Konflikte um diese Übersetzung geben, aber es werden – hoffentlich- produktive Konflikte sein, ausgetragen in protestantischer reformatorischen Streitkultur. Menschen werden die Bibel wieder lesen und zu verstehen versuchen, was sie uns sagt. Paulus hat bei vielen Streitereien, die er gehabt hat, gesagt Hauptsache Christus wird verkündigt. In diesem Geiste werden wir auch mit dieser neuen Übersetzung umgehen.“

Dr. Elisabeth Raiser

Einführung in die Bibel in gerechter Sprache zum Gottesdienst am 25. 2.

2007 in der Ev. Friedenskirche Charlottenburg

Prof. Dr. Frank Crüsemann, Mitherausgeber, 22.01.2007

Frank Crüsemann berichtet von der breiten und differenzierten Akzeptanz der Bibel in gerechter Sprache. Er geht ferner auf kritische Stimmen im deutschen Feuilleton und von Fachkollegen ein und stellt sich die Frage, wie die Heftigkeit der dortigen Reaktionen zu erklären ist. „Inhaltlich geht es dabei vor allem um zwei Themen – und es ist vielleicht ihre Kombination, die Heftigkeit der Reaktionen hervorbringt. Dass die Bibel weder so patriarchal und frauenfeindlich ist, noch so – und das gilt speziell für das NT – antijüdisch, wie das weithin für selbstverständlich gehalten wurde und immer noch gelehrt wird. Die Bibel ist auch in diesen Kernfragen ein Buch, in dem es um Freiheit und Gerechtigkeit geht.“ Dies verdeutlicht Frank Crüsemann auch im Hinblick auf die Übersetzung des Gottesnamens.

Pfarrerin Hanne Köhler, Mitherausgeberin, 24.01.2007

Hanne Köhler stellt den Prozess dar, sowie die Übersetzungsrichtlinien, die zur Bibel in gerechter Sprache geführt haben. Sie erläutert das Profil der Übersetzung und geht dabei auf in der Presse geäußerte Kritik und falsche Behauptungen ein. Dabei geht es u. a. um die Stichworte „Gottesnamen“ und „Hirtinnen“, den Vorwurf des Gesinnungsterrorismus, und um den Antijudaismus in den Medien als eine Art Langzeitwirkung christlicher Irrlehren.

Prof. Dr. Jürgen Ebach, Mitherausgeber, 16.11.2006

Jürgen Ebach erläutert die Grundzüge der Übersetzungsarbeit und verweist dabei u. a. auf Joh 1,1 (logos); 1 Kor 14,34 (Schweigegebot); Mt 5,9 (Schaufaden/Saum); Gen 2,21 (Seite/Rippe); die Übersetzung von ruach bzw. pneuma mit Geistkraft; Lk 8 (Jüngerinnen) und Lev 6,11 (die Männlichen unter den Söhnen Aarons). Ferner verdeutlicht er den Umgang mit dem Eigennamen Gottes.

Prof. Dr. Luise Schottroff, Mitherausgeberin, 19.02.2007

Luise Schottroff spricht 1. zur Frage: “Warum ist eine neue Bibelübersetzung notwendig?“ (mit Ausführungen zum veränderten Paulusverständnis und zur Christologie) und erläutert 2. vier Übersetzungsbeispiele, die wichtige Aspekte der Gerechtigkeit, um die es in der Bibel in gerechter Sprache geht, beleuchten: Mt 28,19; Mt 11,5; Röm 16,7 und Mt 5,38-39.

PD Dr. Claudia Janssen, Mitherausgeberin, 17.11.2006

Claudia Janssen geht ein auf die Rezeption der Bibel in gerechter Sprache und den Vorwurf, sie sei keine Übersetzung. Sie verdeutlicht, dass jede Übersetzung eine Interpretation ist und erläutert das Profil dieser Übersetzung. Dabei macht sie darauf aufmerksam, wie „ wie unwissenschaftlich die Kritik an der Wissenschaftlichkeit … [der Bibel in gerechter Sprache] vorgebracht wird“. Genauer beleuchtet sie die Frauenrollen in Röm 16 und die Sicht der Armen in Mt 11,5 / Lk 7,22.

Prof. Dr. Frank Crüsemann, Mitherausgeber, 9.11.2006

Frank Crüsemann erläutert anhand von Genesis 22 (Bindung Isaaks) wie wichtig in der Bibel der Unterschied zwischen Gottesbezeichnungen und dem Namen Gottes ist und wie die Bibel in gerechter Sprache mit dem Namen Gottes umgeht. Er berichtet ferner, wie er dazu gekommen ist, an der Bibel in gerechter Sprache mitzuwirken (und erzählt dabei von den Übersetzungen für die Deutschen Evangelischen Kirchentage) und warum er dabei geblieben ist ( „… ich habe hier in den intensiven Diskussionen über das Übersetzen eine neue Intensität des Umgangs mit den alten und fremden, den zugleich aber oft so vertrauten Texten erlebt. Inzwischen würde ich sagen: es gibt keine intensivere Möglichkeit, sich mit solchen Texten auseinander zu setzen, als sich immer wieder gegenseitig zu fragen: Sag, was und wie du es verstehst, sag es so, dass ich es auch verstehe.“).

Prof. Dr. Luise Schottroff, Mitherausgeberin, 9.11.2006

Luise Schottroff erläutert biographisch und theologisch, warum sie sich an der Bibel in gerechter Sprache beteiligt. „Ist die Bibel selbst schon frauenfeindlich und judenfeindlich? Ich denke heute, sie ist manchmal frauenfeindlich, aber nicht immer dort, wo christliche Theologie frauenfeindlich ist. Und die Bibel ist nicht judenfeindlich, aber über Jahrhunderte judenfeindlich übersetzt, ausgelegt und benutzt worden.“ Ausführlich erläutert sie, dass und wie es in Mt 5,38-48 nicht um Antithesen sondern um Kommentarworte Jesu geht. Ferner geht sie auf Zöllnerinnen und Pharisäerinnen ein. Luise Schottroff endet mit: „Erstens wünsche ich mir viele Diskussionen in Gemeinden und darüber hinaus über Grundsatzfragen christlicher Theologie. Welche Theologie wollen wir für die Zukunft? Es ist Zeit für tief greifende Veränderungen. Und zweitens wünsche ich mir Diskussionen über einzelne Übersetzungen. Ich hoffe auf viele Verbesserungsideen. Wir stehen am Anfang eines Weges, so hoffe ich. Gehen Sie mit!“

Prof. Dr. Jürgen Ebach, Mitherausgeber

Bei Beginn
Als Anfang
Zu Anfang
1,1 Durch einen Anfang …
Im Anfang
Zu Beginn

Am Anfang
Der erste Vers der Bibel, Gen 1,1, ist in der Bibel in gerechter Sprache auf besondere Weise wiedergegeben. Graphisch lehnt sich seine Ge­staltung an die Initialen in mittelalterlichen Bibeln an, die jeweils den ersten Buchstaben eines Kapitels besonders gestalten und damit hervorheben. Zu bereschit, dem ersten Wort des hebräischen Textes, werden sie­ben verschiedene Übersetzungen angeboten. Die erste Möglichkeit lautet: »Bei Beginn«. Dadurch fängt die Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache genauso wie im Hebräischen (bereschit) mit dem Buchstaben »b« an. Denn nach einer rabbinischen Erklärung ist der erste Buchstabe des Alphabets, das »a«, für den Anfang des Deka­logs (auch »Zehn Gebote« genannt) reserviert. Sie beginnen mit anochi (deutsch: »ich«): »Ich bin Adonaj, deine Gottheit« (Ex 20,2; Dtn 5,6). Die Vielstimmigkeit der ersten Worte der Bibel führen gleich zu Be­ginn vor Augen, dass es grundsätzlich keine eindeutige Übersetzung gibt ( 12–14). Jede Variante von Gen 1,1 bringt einen anderen Aspekt von bereschit zum Klingen. Indem »Durch einen Anfang« in der Mitte steht, macht der Übersetzer Frank Crüsemann deutlich, welche Va­riante er für die treffendste hält, ohne dass er die anderen Möglich­keiten ausblendet. Solches kann nicht für alle Texte der Bibel durch­gehalten werden, aber es gilt für alle Texte. Die Gestaltung der ersten Worte der Bibel führt diese Einsicht exemplarisch vor Augen.

Prof. Dr. Frank Crüsemann, Mitherausgeber

Die harten Worte, die die ›Bibel in gerechter Sprache‹ in Gen 1,26.28 für das sogenannte domnium terrae, die Herrschaft der Menschen über Tiere und Erde verwendet, führen immer wieder zu kritischen Anfragen. Das in der Anmerkung (Nr. 2, BigS S. 2280) zur Begründung der Übersetzungsentscheidungen in Kürze Gesagte, wird hier detaillierter dargestellt.

Die Übersetzung des hebräischen zela mit »Rippe« ist falsch. Laut Wörterbuch bezeichnet zela die »Seite« etwa der Bundeslade (Ex 37,3) oder des Altars (Ex 38,7). Sie kann auch einen Türflügel (1 Kön 6,34) oder die »Seite« eines Berges (2 Sam 16,13) meinen. Im heutigen Hebräisch ist zela auch derjenige Teil des Körpers, mit dem siamesische Zwil­linge zusammengewachsen sind. Die griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel gibt zela in Gen 2,21–22 mit pleura (»Seite«) wieder. Pleura bezeichnet die Seite eines menschlichen Körpers. Genauso ist es im Neuen Testament, z. B. in Joh 19,34: »Einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine (Jesu) Seite« (Luther 1984). Im 4. Jahrhundert nach Christi entstand die Vulgata, die lateinische Übersetzung der Bibel. In ihr wird das hebräische zela in Gen 2 zu lateinisch costa (»Rippe«). Diese Bedeutung ist international in den meisten Bibelübersetzun­gen zu finden. Auch jüdische Übersetzungen wie Buber/Rosenzweig und Zunz wählen »Rippe«. Die Vorstellung, die Frau sei aus einem überflüssigen Knochen des Mannes erschaffen, prägt viele Bibelaus­legungen und Predigten. Anders klingt es in der Bibel in gerechter Sprache: »Dann formte „Adonaj“ , also Gott, die Seite, die sie dem Menschenwesen entnommen hatte, zu einer Frau um und brachte sie zu Adam, dem Rest des Menschenwesens« (Gen 2,22).

ZUM WEITERLESEN:
• Breitmaier, Adam, Eva und »die Rippe«
Ebach, Gott und Adam

Zu übersetzen ist dann besonders schwer, wenn es um Wortspiele geht, die wiedergegeben werden müssen, weil sie für das Verstehen des Textes wichtig sind (13). In Gen 2 taucht dieses Problem zwei­mal auf. Vers 23 spielt mit dem Gleichklang von isch (»Mann«) und ischscha (»Frau«). Luther war dieses Wortspiel so wichtig, dass er sich nicht scheute, ein neues Wort zu erfinden. Er übersetzte: »Man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.« Einige Bibelübersetzungen wie die Elberfelder oder Zunz schließen sich dem an. Andere entscheiden sich anders: »Frau soll sie heißen, denn vom Mann ist sie genommen« (Einheitsübersetzung). »Sie gehört zu mir, denn von mir ist sie genommen« (Gute Nachricht). Die Bibel in gerechter Sprache versucht, ganz nah beim Hebräischen zu bleiben, so nah, dass sie die hebräischen Worte mit erklingen lässt: »Die soll Isch scha, Frau, genannt werden, denn vom Isch, vom Mann, wurde die genommen« (Gen 2,23). Beim hebräischen Wortspiel in Gen 3,1, dem Wort über die Schlange, entwickelte Luther keine solche Kreativität. Dort steht arum, ein Wort mit der Bedeutung »klug«/»listig«. Es klingt fast wie arom, was »nackt« bedeutet und im Vers unmittelbar vorher verwendet wird: In Gen 2,25 wird vom ersten Menschenpaar gesagt, es sei nackt. Luther und die meisten anderen Bibelübersetzungen ignorieren das mitklingende »nackt« in Gen 3,1 und entscheiden sich für »listig«. Damit geht dem Text ein wichtiger Aspekt verloren. »Nackt sein« ist ein zentrales Mo­tiv in der Paradieserzählung: Nachdem Adam und Eva die verbotene Frucht gegessen haben, erkennen sie sich als genauso nackt, aber auch als genauso klug wie die Schlange (3,7). Im anschließenden Dialog mit Gott bleibt Nacktheit ein wichtiges Thema (3,9–11). Nach der Vertreibung schützt Gott die Menschen vor Scham, denn Gott »macht selbst für den Menschen als Mann und für seine Frau Gewän­der für die Haut und bekleidet sie« (3,21). Frank Crüsemann, der Übersetzer des Textes in der Bibel in gerechter Sprache, versucht dieses wichtige Wortspiel nachzubilden mit: »Die Schlange hatte weniger an, aber mehr drauf als alle anderen Tiere des Feldes« (Gen 3,1). Es ist eine gewagte Übersetzung, deren Stärke es ist, dass sie eine wichtige Tiefendimension des Textes off en legt. Es wäre möglich gewesen, noch einen Schritt weiter zu gehen und wie Luther mit »Männin« ein neues Wort zu erfinden. Denn das hebräische Wort für »Schlange« (nachasch) ist grammatisch maskulin. Schon Schriften der Täuferbewegung des Mittelalters zu Gen 3 nehmen das Hebräische beim Wort und sprechen von »der Schlang«. Auch der Alttestamentler Horst Seebass übersetzt 1996 in seinem Kommentar zur Genesis mit: »Der Schlang«. Die Bibel in gerechter Sprache folgt nicht diesem Weg, sondern verwendet das vertraute »die Schlange«.

Als letztes der Schöpfungswerke schafft Gott adam als göttliches Bild, männlich und weiblich (Gen 1,27). Das hebräische Wort adam kann einen einzelnen Menschen oder wie in Gen 1,27 und 3,24 die Menschheit insgesamt bezeichnen. Darum übersetzen mehrere deutschsprachige Bibeln, darunter die Bibel in gerechter Sprache, dort mit »die Menschen«. In Gen 2,21 ist adam als zweigeschlechtliches Wesen gedacht. Durch Teilung wird daraus das Gegenüber von Frau und Mann (83). Trotz­dem spricht das Hebräische danach auch dann von adam (»Mensch«), wenn ausschließlich der Mann gemeint ist, z. B. in Gen 225. Luther (1984) übersetzt: »Sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau.« Diese Übersetzung wirft die Frage auf, ob die Frau kein Mensch ist. Andernorts wird das Problem gelöst, indem der Gattungsbegriff adam (»Mensch«) zum Eigennamen »Adam« wird: »Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes« (Gen 38 in Luther 1984). Auch die Lösung, adam mit »Mann« wiederzugeben, schafft neue Probleme. Denn was Gott über die Arbeit sagt, gilt für beide Menschen (3,17–19). Bei der Frau kommt nur noch anderes hinzu (316). Ebenso ist durch die Wiedergabe von adam mit »Adam« nicht mehr zu erkennen, dass die Frau laut Gen 3,20 als Einzige einen Eigennamen erhält. Von ihrem Mann wird solches nicht erzählt. Durch Wendungen wie »der Mensch als Mann«/»männlicher Mensch« oder »Mann-Mensch« versucht die Bibel in gerechter Sprache, ge­schlechtergerecht zu übersetzen und gleichzeitig die Bedeutungs­breite von adam zu bewahren, z. B.: »Da gab der Mann-Mensch seiner Frau einen Namen: Chawwa, Eva, denn sie wurde zur Mutter aller, die leben« (3,20).

ZUM WEITERLESEN

Crüsemann, Eva – die erste Frau und ihre Schuld

Die Erzählungen über die Sklavin Hagar und ihren Sohn Ismael in Gen 18 und 21 sind durchzogen von einem Wortspiel mit zachak: »(fröhlich) lachen« ( 13). Die Bibel in gerechter Sprache versucht, es mit dem ähnlich klingenden Wort »juchzen« nachzubilden. Sara hatte gelacht bzw. gejuchzt, als sie hörte, dass sie in hohem Alter schwanger werden würde, und war von den Boten Gottes auf ihr Lachen bzw. Juchzen (zachak) angesprochen worden (Gen 18,13+15). Im Namen ihres Sohnes Jizchak (»Isaak«) erklingt das Verb zachak. Sara verkündet nach der Geburt voller Glück: »Ein Juchzen hat Gott mir bereitet. Alle, die es hören, werden über mich juchzen« (21,6). Beim Fest an dem Tag, als Isaak abgestillt wird, sieht Sara, »wie der Sohn Hagars, der Ägypterin, den diese dem Abraham geboren hatte, herumjuchzte« (21,9). Traditionelle Bibelübersetzungen geben zachak immer mit »lachen« wieder. Nur an genau dieser Stelle, in Gen 21,9 , entscheiden sie sich für eine andere Übersetzung. Luther (1984) wählt: »wie er Mutwillen trieb«. In Buber/Rosenzweig steht, dass Sara ihn »spottlachen« sah. Die Hoffnung für alle übersetzt: »sich über Isaak lustig machte«, obwohl der Name Isaak im Hebräischen nicht steht, wohl aber in den antiken griechischen und lateinischen Übersetzungen. Rückendeckung erhal­ten diese negativ wertenden Übersetzungen durch Paulus, der in Gal 4,29 den Text Gen 21,9 interpretiert und schreibt, Ismael habe Isaak »verfolgt«. Das renommierte Hebräisch-Wörterbuch von Gesenius no­tiert entsprechend zu zachak, in Gen 21,9 sei es mit: »in üblem Sinne« zu übersetzen, sonst mit »lachen«, »scherzen«, »liebkosen«. Viele Auslegungen in christlicher und rabbinischer Literatur stützen sich auf diese negative Interpretation Ismaels in Gen 21,9. Sie mutmaßen, der Sohn Hagars müsse Schlimmes mit Isaak gemacht haben. Ismael habe Isaak zum Götzendienst verführen wollen, oder er habe Isaak verletzen oder gar töten wollen. Selbst die Deutung, Ismael habe Isaak sexuell belästigt, wurde aufgrund dieser Stelle vertreten. Manche gehen so weit, es anti-islamisch zu deuten. Denn die Geschichte von Hagar und Ismael ist ein wichtiger Teil der islamischen Tradition. Hagar, Abraham und Ismael gelten als Erzeltern vieler nordarabischer Stämme, aus de­nen später der Prophet Muhammad hervorgeht. Die Bibel in gerechter Sprache stellt sich dieser Herabsetzung Ismaels in den Weg, indem sie nicht wertet, sondern das Wortspiel des Hebräischen nachbildet.

Lea, erste Frau Jakobs, wird in Gen 29 und 30 als ungeliebt beschrie­ben. Jakob zieht ihr ihre jüngere Schwester Rahel vor, die er von Anfang an heiraten wollte und die seine zweite Frau wird. Während ihrer Ehe kämpft Lea fortwährend gegen die Konkurrenz ihrer Schwester. Die hebräischen Texte beschreiben diese Auseinander­setzungen, ohne Position zu beziehen. Durch eine bestimmte Über­setzung wird Lea jedoch abgewertet. Von Leas Augen wird im Heb­räischen gesagt, sie seien rach. Es wird oft wie dergegeben mit »matt« oder »ohne Glanz« oder in Luther 1545 und 1912 gar mit: »Lea hatte ein blödes Gesicht, Rahel war hübsch und schön«. Laut Wörterbuch bedeutet rach »zart«/»zärtlich«/»sanft«. Kleine Kinder können rach sein (Gen 33,13). In Spr 15,1 und Hiob 40,27 geht es um »sanfte (rach) Worte«. Lediglich an zwei Stellen – so das Wörterbuch – sei mit »schwach« zu übersetzen: in 2 Sam 3,39 , wo David von sich sagt, er sei zwar zum König gesalbt, aber er sei rach, und in Gen 29,17. Bei Letz­terem solle sogar mit »schwache, blöde Augen« übersetzt werden. Die Entscheidung des Wörterbuchs überzeugt vielleicht bei David, nicht aber bei Lea. Weder »ohne Glanz« noch »matt« oder gar »blöde« gehören zur Bedeutungsbreite von rach. In der Bibel in gerechter Sprache steht daher: »Die Augen Leas waren zärtlich, Rahel aber hatte eine schöne Figur und sah gut aus.«

Zweimal kommt im Buch Genesis der Ausdruck ben oni vor. In Gen 35,18 sagt Rahel von ihrem Sohn Benjamin, er sei ein ben oni. In Gen 49,3 spricht Jakob von Ruben als ben oni. Ben heißt »Sohn«. Das Wort oni kann »mein Unglück« oder »meine Kraft«/»meine Stärke« bedeuten. Stefanie Schäfer-Bossert hat aufgedeckt, dass Bibelüber­setzungen und wissenschaftliche Auslegungen zu diesen Texten wie selbstverständlich davon ausgehen, bei Rahel sei es ein »Unheils­kind« (Einheitsübersetzung) oder »Sohn meines Unheils« (Buber-Rosenzweig). Dagegen nennt Jakob seinen Sohn »Erstling meiner Kraft« (Zunz) oder »meiner Mächtigkeit Anfang« (Buber-Rosenzweig) oder gar »meiner Zeugungskraft Erstling« (Einheitsübersetzung). Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein und derselbe Ausdruck im glei­chen Buch (hier: im Buch Genesis) und in vergleichbarem Zusam­menhang (Beziehung Elternteil – Kind) etwas anderes bedeutet, zu­mal ein genauer Blick in den Bibeltext zeigt, wie nah beide Male Glück und Unheil zusammenliegen. Rahel hat kein Kind so sehr er­sehnt wie Benjamin: also Glück. Die Geburt ist schwer, Rahel spürt, dass sie sterben wird. Sie gibt ihrem Kind den Namen ben oni. Jakob geht es nicht anders. Er ist stolz auf seinen erstgeborenen Sohn: Glück. Doch im gleichen Atemzug benennt er Leid: »Du hast ja das Bett deines Vaters bestiegen – damals hast du mein Lager entweiht, er hat’s erstiegen« (Gen 49,4). Wie in Gen 3,1 ( 59) nimmt die Bibel in gerechter Sprache das Heb­räische sehr ernst und versucht, diesen Zweiklang hörbar zu machen. Sie übersetzt
•     bei Rahel: »Da gab sie ihm den Namen Ben-Oni, ›Sohn meiner Kraft, meines Unheils.‹« (Gen 35,18)
•     bei Jakob: »Ruben, mein Erstgeborener bist du, … der Erstling meiner Kraft, meines Unheils.« (Gen 49,3)

Am Rand stehen Verweise auf die jeweils andere Bibelstelle als Ge­sprächstext (54).

ZUM WEITERLESEN:
Fokus Textgerechtigkeit
•  Schäfer-Bossert, Den Männern die Macht und den Frauen die Trauer?

»Giere nicht nach dem, was zu deinem Mitmenschen gehört, weder nach seiner Partnerin oder seinem Partner, noch nach seinem Skla­ven oder seiner Sklavin, nicht nach seinem Rind oder Esel, noch nach irgendetwas, das ihm oder ihr gehört« – so übersetzt die Bibel in gerechter Sprache das letzte der Zehn Worte vom Sinai in Ex 20,17. Die Parallele in Dtn 5,21 lautet: »Sei nicht auf den Partner oder die Partnerin anderer aus! Sei nicht auf das Haus anderer aus, weder auf ihr Feld, ihre Sklaven oder ihre Sklavinnen, noch ihre Rinder, Esel oder irgendetwas, was ihnen gehört!«
Fast alle gängigen Bibeln übersetzen das hebräische Wort chamad im Unterschied dazu mit »begehren«. Dabei umfasst chamad weit mehr, nämlich alle Arten, mit denen Menschen danach trachten, ihre Nächsten und deren Besitz an sich zu bringen, »vom Begehren über das Planen bis hin zur Realisation. Es geht um alle Möglichkeiten, einem anderen Menschen die Lebensgrundlage und damit die Frei­heit zu rauben« (Crüsemann, S. 99). Dazu gehören Machenschaften, die zwar (noch) legal sind, die aber dennoch anderen schaden und sie ausbeuten, z. B. Menschen in eine Schuldenfalle zu treiben, um deren Besitz an sich zu bringen. Schon Luther war bewusst, dass es nicht nur um Sünden in Gedanken und um Innerlichkeit geht. Er warnt: »Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserm Nächs­ten nicht mit List nach seinem Erbe oder Hause trachten und mit einem Schein des Rechts an uns bringen, sondern ihm dasselbe zu behalten förderlich und dienlich sein. (…) Hier aber ist auch ver­wehrt, dem Nächsten etwas abzulocken, selbst wenn man vor der Welt mit Ehren dazu kommen kann, so dass niemand dich zu be­schuldigen oder zu tadeln wagt, als habest du’s mit Unrecht erwor­ben« (Luther, Kleiner bzw. Großer Katechismus). Die Übersetzungen »giere nicht« bzw. »aus sein auf« versuchen, der Bedeutung des he­bräischen Wortes chamad näher zu kommen, als es mit »begehren« möglich ist.

ZUM WEITERLESEN:
• Crüsemann, Maßstab: Tora, besonders »Dekalog? Fünf Sätze zum Verständnis des Dekalogs«, S. 57–66, und »Damit ›Kain nicht Kain wird‹. Die Wurzeln der Gewalt und ihre Überwindung in biblischer Sicht«, S. 88–104

Oft ist fraglich, ob die hebräischen und griechischen Wörter für »Söhne« (bene bzw. hyioi) tatsächlich Söhne meinen oder ob es all­gemeiner um Nachkommen oder Kinder geht. Wenn in Ex 3,9 steht, Gott habe das Klagegeschrei der bene Israels gehört, dann hört Gott nicht nur Söhne klagen. Denn in Ex 1 wird erzählt, dass der Pharao alle neugeborenen hebräischen Kinder töten lassen will. Wie sehr werden deren Mütter geklagt haben! Sachgemäßere Übersetzungen sind: »Kinder Israels« oder »Töchter und Söhne Israels« oder »Leute von Israel«, wie die Gute Nachricht übersetzt, auch wenn bene in der Grundbedeutung »Söhne« heißt (21). Auch hyioi wird verschieden wiedergegeben. In Luther 1545 und 1984 heißt es mehrmals »Kin­der«, z. B. in Mt 5,45: »Kinder eures Vaters im Himmel«. Die Einheits­übersetzung entscheidet sich an der gleichen Stelle für »Söhne«. Manche Versuche, an der Grundbedeutung festzuhalten, sind ab­surd, wie z. B. Lev 6,11 in der Einheitsübersetzung: »Wer männlich ist unter den Söhnen Aarons«. Die revidierte Lutherübersetzung von 1984 übersetzt dagegen sachgerecht: »Wer männlich ist unter den Nachkommen Aarons« (12). Vergleichbares ist im Neuen Testament zu beobachten, z. B. beim Wort andres (Grundbedeutung: »Männer«) nach der Rede des Paulus auf dem Areopag (Apg 17,34). Etliche deutschsprachige Bibeln, z. B. Luther (1984) und die Elberfelder Bibel, berichten, einige »Männer«, darunter Dionysius und Damaris, seien zur Gemeinde dazugekom­men. Damaris ist jedoch eine Frau. Andres umfasst hier off ensichtlich beide Geschlechter. Ähnlich wie in der Übersetzung Hoff nung für alle steht daher in der Bibel in gerechter Sprache, dass »einige« sich der Jesusbewegung anschlossen, darunter Dionysios und Damaris.

2 Sam 13 erzählt, dass die Königstochter Tamar von ihrem Halbbru­der Amnon vergewaltigt wird. Nach damals geltendem Recht hätte Amnon sie jetzt heiraten müssen – eine heute undenkbare Vorstel­lung. In der damaligen Zeit war es ein Schutz für die Frau. Amnon weigert sich. Er lässt Tamar hinauswerfen. Sie flüchtet sich zu ihrem Halbbruder Abschalom. Fast alle deutschsprachigen Bibeln überset­zen ähnlich wie die Einheitsübersetzung: »Von da an lebte Tamar einsam (schamam) im Haus ihres Bruders Abschalom«. Diese Über­setzung vermittelt den Eindruck, Tamar sei »einsam« im Sinne von »allein«, weil sie nicht verheiratet ist.
Ulrike Bail hat herausgearbeitet, dass schamam mit »einsam« nur sehr unzureichend wiedergegeben ist. Schamam meint äußerste Zerstörung. Es wird verwendet für die Wüste als lebensfeindlicher Raum (Joel 2,3) oder für im Krieg völlig zerstörte Städte (Jes 49,19), die dadurch unbewohnbar (Jer 49,33) und Orte des Todes (Ez 12,19) sind. Durch schamam wird Tamar beschrieben »als eine, deren Leben nahe dem Totenreich ist (vgl. Ps 88,5–6). Sie hat den sozialen Tod erfahren; abgeschnitten von der Gemeinschaft lebt sie als eine Geächtete, wie eine ›lebendig Begrabene‹ ohne Perspektive in Abschaloms Haus« (Bail, S. 198). Eine Übersetzung von schamam mit »einsam« nivelliert die Folgen einer Vergewaltigung bis zur Unkenntlichkeit. Die Bibel in gerechter Sprache wirkt dem entgegen und übersetzt: »So blieb Tamar völlig zerstört im Haus ihres Bruders Abschalom wohnen« (2 Sam 13,20).
ZUM WEITERLESEN:
•  Bail, Gegen das Schweigen klagen, besonders S. 196–201

Hier geht es um die Sklavin des aramäischen Feldherrn Naaman, die ein kleines, etwa sechsjähriges Mädchen aus Israel ist. Sie bringt den »großen« (5,1) Heerführer Naaman dazu, der Gottheit Israels zu vertrauen. Er leidet unter einer Hauterkrankung. Am Ende ist Naa­mans Haut wie die eines »kleinen« Jungen (5,14). In fast allen christ­lichen Übersetzungen steht »junges Mädchen«. Es macht diese Wortspiele des Hebräischen unhörbar. Zudem lässt »junges Mäd­chen« eher an ein Mädchen im Pubertätsalter denken. Das Hebrä­ische spricht aber von einem kleinen Mädchen, das fern von seiner Familie in einem fremden Land als Kindersklavin lebt – ein grausa­mes Schicksal. In jüdischen Übersetzungen wie denen von Buber/ Rosenzweig und Zunz steht genauso wie in der Bibel in gerechter Sprache der Ausdruck: »kleines Mädchen«. Es bildet nicht nur das Wortspiel des Hebräischen ab. Es öffnet auch die Augen dafür, wel­che Folgen Krieg und Gewalt für ganz kleine Kinder haben kön­nen.

ZUM WEITERLESEN:
• Metzler, Kleines Mädchen Hoffnung

In Jes 7,14 steht das hebräische Wort alma. Nach dem Wörterbuch für Hebräisch und Aramäisch von Gesenius ist mit alma ein Mädchen im heiratsfähigen Alter gemeint, egal ob es Jungfrau ist oder verheiratet. Wichtig ist nur das Alter. Bibelübersetzungen wie Luther (1984) oder die Elberfelder Bibel geben alma mit »Jungfrau« wieder. Die Elber­felder Bibel erklärt zu Ex 28 , wo ebenfalls alma steht: »Es bezeichnet das Mädchen im heiratsfähigen Alter« und verweist auf alma in Gen 24,43 und Jes 7,14. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt Jes 7,14 sachgerecht mit: »Sieh doch, eine junge Frau ist schwanger.« Jes 7,14 wird in Mt 1,23 vom Engel Gottes zitiert. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt: »Seht, die junge Frau wird schwanger werden.« Das Matthäusevangelium ist in Griechisch geschrieben. Dort steht parthenos. Es bezeichnet ebenso wie das hebräische alma ein Mäd­chen im heiratsfähigen Alter (zur damaligen Zeit ca. dreizehnjährig). Darauf stützt sich auch das Wörterbuch zum Neuen Testament von Bauer-Aland. Es verweist auf jüdische Grabinschriften, nach denen parthenos »auch einfach ›das Mädchen‹ sein kann«. Erst im 3. bis 4. Jahrhundert n. Chr., als das Dogma von der unbefleckten Emp­fängnis sich durchsetzte, wurde parthenos die Bedeutung »Jungfrau« im Sinne einer Frau, die keinen sexuellen Verkehr gehabt hat, zuge­schrieben.

ZUM WEITERLESEN:
•  Schottroff/Sölle, Die Kraft der Legenden

Das Buch Amos ergreift Partei für die Armen und Ausgebeuteten und konfrontiert Reiche und Mächtige mit ihrer Habgier und ihrem Machthunger. Es benutzt drastische Bilder und zeigt keine Scheu, Gott als kriegerisch und gewalttätig zu beschreiben, damit die pro­phetische Botschaft gehört wird, z. B. in Am 7,7–8:

Am 77–8
7So hat sie mich schauen lassen:
Siehe, die Macht stand auf einer Mauer aus Zinn,
und in ihrer Hand war Zinn.
8 „Gott“ sagte zu mir: »Was siehst du, Amos?« Ich sagte: »Zinn
Die Macht sagte: »Siehe, ich bin dabei,
Zinn in die Mitte meines Volkes Israel zu legen;
ich kann es nicht mehr verschonen.

9Die Kulthöhen Isaaks werden verwüstet,
verheert werden die Heiligtümer Israels.
Ich werde aufstehen gegen das Haus Jerobeam mit dem Schwert. Bibel in gerechter Sprache

Amos 7,7–8. 7
Er ließ mich abermals schauen, und siehe, der Herr stand auf der Mauer, die mit einem Bleilot gerichtet war, und er hatte ein Bleilot in seiner Hand. 8Und der Herr fragte mich: Was siehst du, Amos? Ich ant­wortete: Ein Senkblei. Da sagte der Herr: Sieh her, mit dem Senkblei prüfe ich mein Volk Israel. Ich verschone es nicht noch einmal, 9sondern die Höhen Isaaks sollen verwüstet und die Heiligtümer Israels zerstört werden, und ich will mich mit dem Schwert über das Haus Jerobeam hermachen.
Einheitsübersetzung

In Am 7,7–8 ist von anak die Rede. Anak ist ein Lehnwort aus dem Akkadischen und kommt nur hier in der Hebräischen Bibel vor. Sprachwissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass es nicht »Blei« meint, wie vielfach übersetzt wird, sondern »Zinn«. Zinn diente in Israel fast ausschließlich zur Legierung von Bronze, aus der Waffen hergestellt worden sind. In Am 7,7–8 geht es nicht darum, dass Gott prüft, ob in Israel alles gradlinig ist, d. h. mit rechten Dingen zugeht, wie es die Übersetzung mit »Bleilot«/»Senkblei« nahe legt. Der Pro­phet benutzt ein Kriegsbild: Gott wird Israel mit Schwert und Krieg überziehen, wenn in Israel das soziale Unrecht, die Verelendung und Ausbeutung der Armen nicht aufhören (Am 8,4). Die Übersetzung mit »Zinn« verwandelt den Text nicht in das Bild einer Inspektion, son­dern legt die Gewalt offen, die im Hebräischen gemeint ist: Gott droht mit Krieg und Schwert.

ZUM WEITERLESEN:
• Jeremias, Der Prophet Amos, besonders S. 101–103

In Mi 6,8 mahnt Gott mischpat an. Mischpat ist der wichtigste Rechts­begriff der Hebräischen Bibel. Er entspricht dem, was deutsche Re­dewendungen wie »ich habe ein Recht darauf« – »das ist mein gutes Recht« oder »das Recht einklagen« aussagen. Mischpat steht für das, worauf ein Mensch rechtlich Anspruch hat, z. B. das Recht der Töchter (Ex 21,9). Auf der anderen Seite ist mischpat das, was Menschen tun, um Recht und Gerechtigkeit zu verwirklichen. Dass solches oft nicht geschieht, beklagen prophetische Texte (z. B. Am 5,7; Jer 5,1). Mischpat bezeichnet auch ein Gerichtsurteil, eine Rechtsvorschrift oder die Rechtsordnung ganz allgemein, z. B. »das Recht zu den Völkern hin­ausbringen« (Jes 42,1); »Richtet auf im Tor das Recht!« (Am 5,15). Genauso wie die Bibel in gerechter Sprache übersetzen fast alle Bibeln mischpat in diesem Sinne, z. B. »Recht üben« (Elberfelder), »haltet euch an das Recht« (Hoffnung für alle/Gute Nachricht) oder »Recht tun/halten« (Einheitsübersetzung/Kleine Jerusalemer Bibel). Lediglich die Lutherübersetzungen von 1545 bis heute entscheiden sich für die Übersetzung »Gottes Wort halten«. Luther fügte 1545 als Anmerkung hinzu: »Das ist Glauben lieben und leiden«. Dahinter steht die Auffas­sung, das Gesetz sei durch das Evangelium abgelöst. Darum soll das Wort »Gesetz« in einer solch zentralen Gottesaussage wie Mi 6,8 nicht vorkommen, auch nicht, wenn es im Hebräischen steht. Der Kirchen­historiker und Theologe Heinrich Bornkamm schließt sich Luthers Umgang mit Mi 6,8 ausdrücklich an. Es sei »ein klassisches Beispiel für die Umwandlung des alttestamentlichen Moralismus in die Glaubens­haltung des Christen« (Luther und das Alte Testament, Tübingen 1948,
S. 201). Diese Position wertet die Auslegung höher als den biblischen Wortlaut und widerspricht darin Luthers eigener Forderung sola scrip­tura, nach der die kirchliche Lehre immer hinter dem zurückstehen muss, was der biblische Text sagt (10).

ZUM WEITERLESEN:
•  Albertz, »Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist«

Ist die Botschaft von Ps 46 tatsächlich: »Wehr und Waffen«, also ein Lob auf Kriege und Siege mit Gott als Kriegsherrn, wie es im Lied »Ein feste Burg ist unser Gott« anklingt? Die Übersetzerin in der Bibel in gerechter Sprache, Christl Maier, hat im Hebräischen anderes ent­deckt. Zwar gibt es Texte wie Jos 10, in denen Gott Kriege führt. Ps 46 aber spricht anders:

10Gott setzt den Kriegen ein Ende, überall auf der Erde,
zerbricht den Bogen, zerschlägt den Speer,
verbrennt die Streitwagen im Feuer.
11Lasst ab vom Krieg und erkennt: Ich bin Gott,
ich bin erhaben unter den Völkern, erhaben über die Erde.

Das hebräische Verb schabat, das bei Luther zur Übersetzung führt: »Der den Kriegen steuert in aller Welt« (Vers 10), bedeutet in der grammatischen Form von Ps 46: »machen, dass etwas aufhört«/»etwas beenden«. In diesem Sinne übersetzt z. B. die Einheitsübersetzung. Von schabat kommt das Wort »Sabbat«. Es steht im Schöpfungsbe­richt (Gen 2,2–3) und im vierten Gebot (Ex 20,8–11; Dtn 5,12–15). Alle drei Texte berichten, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen hat und am siebten Tag schabat (»aufhört« oder »ruht«). In Ps 46,11 wird mit anderen Worten noch einmal wiederholt, dass die Kriege aufhören sollen: Das erste Wort in Vers 11 lautet rapah. Es bedeutet »ablassen«/ »loslassen«/»verlassen« und bezieht sich eindeutig auf den vorheri­gen Vers. Um deutlich zu machen, worauf rapah sich bezieht, hat die Übersetzerin in der Bibel in gerechter Sprache »vom Krieg« hinzuge­setzt. Rapah bedeutet nicht »still sein«, wie es in Luther (1984) zu lesen ist: »Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin!« Die Gute Nach­richt Bibel trifft dagegen den Sinn: »Macht Frieden!«. »Gott setzt den Kriegen ein Ende (schabat) überall auf der Erde« – das trauen die Betenden von Ps 46 Gott zu. Sie hoffen auf Gott und sind sicher, dass Gott nicht mit Wehr und Waffen kommt, sondern dass Gott alles Kriegsgerät vernichtet (Vers 10). Wie es sein wird, wenn Gott zu Hilfe kommt, malen sie in großen Bildern aus: »Die Wasser toben, sie schäumen, die Berge erbeben« (Vers 4). Gott wohnt dann in der Gottesstadt, in Jerusalem, so hoffen und beten sie. Wenn Gott da ist, wird Jerusalem zur »Fluchtburg« (Vers 8+12). Das Hebräische sagav meint »hoch«/»schwer zu erreichen«/»geschützt«. Mit »Flucht­burg« will die Übersetzerin der Bibel in gerechter Sprache den Schutz-Gedanken deutlich anklingen lassen. In Ps 46 steht sechsmal elohim, eine Gattungsbezeichnung, die mit »Gottheit« wiedergegeben werden kann ( 36). »Gottheit« ist im Deutschen grammatisch feminin. Dadurch kann eine Besonderheit des Hebräischen leicht nachgebildet werden. Denn in Vers 2 wird Gott mit der weiblichen Form ezra (»Helferin«) bezeichnet: »Die Gott­heit ist uns Zuflucht und Macht, als Helferin in Nöten lässt sie sich finden« (Vers 2). So wird deutlich, dass die Bibel (auch) in Ps 46 von Gott Geschlechter umfassend spricht.

ZUM WEITERLESEN:
•  Maier, »Ein feste Burg ist unser Gott …«

An vielen Stellen spricht die Bibel von Gottes Mutterschoß, z. B. Jes 46,3: »Hört mir zu, Haus Jakob, (…) mir aufgeladen von Mutterleib an, getragen vom Mutterschoß an.« In der lateinischen Bibelüber­setzung von Hieronymus (4. Jahrhundert n. Chr.) wird mit uterus und vulva übersetzt. In Jes 4214 sagt Gott von sich: »Wie eine Gebärende will ich stöhnen, hecheln und dabei nach Luft schnappen«. Etliche Bibeln, darunter Luther, wollen die Bilder des Hebräischen nicht wahrhaben, nach denen Gott gebiert oder zeugt. Sie übersetzen z. B. in Ps 90,2 die hebräischen Wörter für »gebären« und »kreißen« passi­visch mit »(geschaffen) werden«, obwohl die hebräischen Verben im Aktiv stehen. Andere Übersetzungen nehmen immerhin wahr, dass die Erde »gebiert« und »kreißt«. Aber dass Gott Subjekt des Gebärens ist, wird wegübersetzt: »Ehe die Berge wurden geboren, Erde kreißte und Welt, von Zeiten her bis in Zeiten Gottheit bist du« (Ps 90,2 in Buber/Rosenzweig). Die Bibel in gerechter Spreche versucht, mög­lichst nahe am hebräischen Bild zu sein: »Bevor die Berge geboren wurden und du unter Wehen Erde und Erdkreis geboren hast – durch alle Zeiten bist du, Gott.« Auch in Hiob 38,28–29 legt die Bibel in gerechter Sprache das männli­che und weibliche Bild von Gott frei: »Gibt es für den Regen einen Vater oder wer hat die Tropfen des Taus gezeugt? Aus wessen Schoß ist das Eis hervorgegangen und der Reif des Himmels – wer hat ihn geboren?« Luther (1984) spricht nur von »gezeugt«.

ZUM WEITERLESEN:
Crüsemann, Übersetzt die Bibel in gerechter Sprache genau genug?
• Frettlöh, Gottes Mutterschößigkeit

Koh 3 beschreibt, dass alles im Leben eine bestimmte Zeit hat. Dann wird in einer Reihe von Verben im Aktiv aufgezählt, worum es geht,
z. B. pflanzen und ausreißen, töten und heilen, lachen und weinen, trauern und tanzen, schweigen und reden, aufbewahren und weg­werfen. Es wird in den meisten deutschsprachigen Bibeln aktivisch übersetzt. Viele Bibeln, darunter Luther (1984) und Buber/Rosen­zweig, verblüffen in Vers 2 mit einer Ausnahme. Dort stehen im Heb­räischen zwei Verben im Aktiv: jalad (»gebären«) und mut (»sterben«). Übersetzt wird gegen den Textfluss und gegen die Grammatik im Passiv: »Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit.« – vielleicht weil die Übersetzenden sich nicht vorstellen, dass im Text etwas steht, das allein Frauen vorbehalten ist: »gebären«. Ähnlich wie die Einheitsübersetzung und die Übersetzung von Zunz gibt die Bibel in gerechter Sprache Koh 3,2 wieder: »Zeit zu gebären und Zeit zu sterben.«

Est 8,11 ist ein besonders extremes Beispiel antijüdischer Übersetzung. Das Buch Ester enthält eine Legende, die am persischen Hof spielt. Sie erzählt, dass wegen einer Intrige des Hofbeamten Haman das Gesetz erlassen wird, in einem Pogrom »alle Jüdinnen und Juden, von den Jungen bis zu den Alten, Kinder und Frauen, an einem Tag, nämlich am 13. des zwölften Monats (…) auszurotten, zu erschlagen, zu vernichten und ihre Habe zu plündern« (Est 3,13). Ester, die persi­sche Königin und Jüdin, bringt durch klugen und mutigen Einsatz ihren Mann dazu, ein neues Gesetz zu erlassen. Es erlaubt ihren jü­dischen Geschwistern, sich zu wehren. In 8,11 wird dem Volk dieser Erlass verkündet. Der Vers wird so übersetzt:

Luther (1545)
Darinnen der König den Jüden gab /wo sie in Sted­ten waren / sich zuuersamlen vnd zu stehen fur jr Leben / vnd zu vertilgen / zu erwürgen vnd vmb zubringen alle macht des Volcks vnd Landes / die sie engsteten / sampt den kindern vnd wei­bern.  

Luther (1912) 
… darin der König den Juden Macht gab, in wel­chen Städten sie auch waren, sich zu versammeln  und zu stehen für ihr Leben und zu vertilgen, zu erwürgen und umzubringen alle Macht des Volkes und Landes, die sie ängsteten, samt den Kindern und Weibern.  

Luther (1984)
… alle Macht des Volks und Landes, die sie angrei­fen würden, zu vertilgen, zu töten und umzubrin­gen samt den Kindern und Frauen.

Einheitsübersetzung
… alle  ihre Gegner samt ihren Frauen und Kin­dern zu erschlagen, zu ermorden und auszurot­ten.

Hoffnung für alle 
… alle ihre Gegner samt ihren Frauen und Kin­dern zu erschlagen, zu ermorden und auszurot­ten.

Gute Nachricht 
… sich zum Schutz ihres Lebens zusammenzutun  
und alle zu töten, zu vernichten und auszurotten, die ihnen und ihren Frauen und Kindern Gewalt an­ tun wollen – und zwar überall im Reich, wo das vor­ kommt, unter allen Völkern und in allen Provinzen. 

Bibel in gerechter Sprache 
… dass der König den Jüdinnen und Juden in jeder einzelnen Stadt die Erlaubnis gab, sich zu versam­meln und für ihr Leben einzutreten. Ihnen wurde genehmigt, alle Schlägertruppen von Volk und Provinz auszurotten, zu erschlagen und zu vernich­ten, die sie, Kinder und Frauen bedrängen wür­den.  

Die verschiedenen Übersetzungen beziehen die Formulierung »Kinder und Frauen« auf unterschiedliche Gruppen. Geht es hier um jüdische Frauen und Kinder, die bedrängt werden? Oder ist es jüdischen Men­schen erlaubt, die Frauen und Kinder ihrer Gegner zu töten? Luther 1545 und 1912 lassen es noch offen. Aber in der zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts – nach dem millionenfachen Mord an jüdischen Frauen, Männern und Kindern – ist in den revidierten Lutherüberset­zungen von 1964/75 und 1984 unmissverständlich zu lesen, dass jü­dische Menschen Frauen und Kinder ermorden dürfen. Genauso steht es in der Einheitsübersetzung und Hoffnung für alle. Eine positive Aus­nahme ist die Gute-Nachricht-Bibel.
Dabei ist das Hebräische eindeutig. Sowohl die Wortstellung als auch die Vokalzeichen unter den Buchstaben führen zu dem Sinn, in dem die Gute Nachricht und die Bibel in gerechter Sprache übersetzen. Jüdische Menschen sind Opfer von Gewalt – so das Buch Ester – und nicht solche, die Wehrlose töten. Es geht nicht um blinde Rache, son­dern um Verteidigung gegen »Schlägertruppen«, die sogar Kinder morden, wie es das Hebräische sagt und wie es in der Bibel in ge­rechter Sprache ganz deutlich zu lesen ist.

ZUM WEITERLESEN:
Wengst, Übersetzen in Verantwortung vor dem Judentum
• Kessler: Die Juden als Kindes- und Frauenmörder?
Leutzsch, Statement zu Antijudaismus,
• Wacker, Ester

Mit »Magier« gibt die Bibel in gerechter Sprache das griechische Wort magoi wieder. Magier wirkten als Priester und Gelehrte, übernahmen staatliche Ämter und hatten großen politischen Einfluss. Sie waren ausgebildet in Astronomie, Astrologie und anderen Wissenschaften. In der Übersetzung »Sterndeuter« (Einheitsübersetzung/Neue Zücher Bibel) oder »Weise« (Luther, Elberfelder) klingen entweder As­trologie oder Gelehrsamkeit an. Die Bibel in gerechter Sprache über­setzt in Mt 2,1 mit »königliche Magier«. Sie drückt damit ihren hohen Rang an Königshöfen aus und will gleichzeitig verhindern, dass die magoi mit modernen Magiern verwechselt werden, wie sie heutzu­tage in Fernsehshows auftreten.
Mt 2 erzählt, dass solche Gelehrte »aus dem Osten« kommen. »Osten« zielt auf die Aufteilung der Welt aus römischer Sicht. Mit dem Parther-reich im Osten, im Gebiet des heutigen Iran, und dem Römischen Reich im Westen war die Welt der Antike in zwei Großmächte aufge­teilt. Beiden lag daran, nebeneinander zu existieren, ohne in aus­ufernde Kriege verwickelt zu werden. Deshalb war es eine häufig geübte Strategie, mit Gefolge anzureisen, um Herrschenden zu hul­digen und sie damit anzuerkennen. In Grenzgebieten wie z. B. Paläs­tina kam es immer wieder zu kleineren militärischen Konfl ikten. Hier waren solche diplomatischen Besuche besonders notwendig.
Aufgrund einer Sternerscheinung vermuten die Magier, in Israel sei ein neuer König geboren. Ihm wollen sie huldigen. »Als König Hero­des davon hörte, erschrak er zutiefst – und ganz Jerusalem auch« (Mt 2,3). Herodes ist in Sorge, die Parther könnten einen anderen Kö­nig als ihn anerkennen. Ganz Jerusalem ist in Angst, weil die Men­schen Schlimmstes befürchten. Sie hatten am eigenen Leibe erlebt, mit welcher Brutalität Herodes Krieg gegen Antigonos, seinen Konkurrenten um den Königstitel, geführt hatte. Beiden ist es wichtig zu wissen, welche diplomatischen Pläne die Magier aus dem Osten hegen.
Diese politisch höchst brisante Situation erzählt Mt 2. Die Magier kommen nach Bethlehem, sind »überwältigt vor Freude« (Mt 2,11) angesichts eines neugeborenen Jungen, seines Vaters und seiner Mutter in einem Stall. Sie huldigen dem Kind und beschenken es reichlich. Dann kehren sie – von Gott geleitet – zurück ins Partherreich. Dass es exakt drei Magier waren, die das neugeborene Kind besuchen, sagt der biblische Text nicht. Dort steht der Plural magoi. Wegen der drei Geschenke Gold, Weihrauch und Myrre (Mt 2,11) ent­wickelte sich die katholische Tradition von den »Heiligen Drei Köni­gen« mit den Namen Kaspar, Melchior und Balthasar.
In Mt 2 erfüllen sich Hoffnungen des jüdischen Volkes, dass Men­schen aus den Völkern kommen, den Messias anerkennen und dass eine Welt des Friedens anbricht. »Die christliche Exegese hat den Text lange antijüdisch gelesen und die Magier mit ›den Heiden‹ (96) identifiziert, die den Messias anerkennen und anbeten, während ›das jüdische Volk‹ ihn ablehnt« (Janssen, S. 10). Die Magier sind Zeugen der Geburt, aber sie werden dadurch weder zu jüdischen noch zu christlichen Menschen. Mt 2 kritisiert die politische Führung, die den Messias bekämpft und damit alle, die auf Befreiung hoffen. Mt 2 ist eine Legende, die dennoch wahr ist. Ihre Friedensvision umfasst auch die gegnerische Großmacht. Denn deren Diplomaten, die Magier, erweisen dem neugeborenen Kind ihre Loyalität.
Nebenbei: Es gibt keinen Beleg, dass auch Frauen als Magierinnen wirkten. Darum gibt die Bibel in gerechter Sprache den Plural magoi mit der männlichen Form »Magier« wieder (23–31).

ZUM WEITERLESEN:
• Claudia Janssen, Seht, der Stern steht still

Die Frage, ob es in Mt 5,9 um ein aktives Verhalten (»für Frieden arbei­ten«) geht oder um Passivität (»still halten, friedlich sein«), beschäftigte schon Luther. Im Griechischen steht eirenopoioi, also »Frieden ma­chen«. Luther übersetzte 1545 (und Luther 1984 behält es bei): »Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.« Luther fügte 1545 als Anmerkung hinzu: »Die Friedfertigen sind mehr denn Friedsamen nemlich die den Frieden machen fordern vnd erhalten unter andern. Wie Christus vns bey Gott hat friede gemacht.« Off en­sichtlich hat sich seit Luther die Bedeutung von »friedfertig« geändert: Heute ist eine andere Wortwahl nötig, um den aktiven Sinn von eireno­poioi wiederzugeben. Es fällt auf, dass Luther hier geschlechterfair übersetzt, anders als z. B. die Einheitsübersetzung mit: »Selig, die Frie­den stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.«
Die Bibel in gerechter Sprache betont den aktiven Einsatz für den Frieden und übersetzt: »Selig sind die, die für den Frieden arbeiten, denn sie werden Töchter und Söhne Gottes heißen.«

In der Bergpredigt legt Jesus die Tora ( 81) aus (Mt 5,21–48). Er beginnt sechsmal mit den Worten: ego de lego hymin. Die traditionelle Über­setzung: »Ich aber sage euch« suggeriert, es seien Antithesen, mit denen Jesus gegen die Tora argumentiere oder sie gar außer Kraft setze. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt: »Ich lege euch das heute so aus.« Sie stützt sich auf neuere Forschungsarbeiten (s. u. »Zum Weiterlesen«). Diese Wiedergabe legt offen, dass Jesus sich an hala­chischer Lehre beteiligt. Halacha bedeutet »Weg«. Es ist eine jüdische Auslegungsweise der Tora. Durch sie wird Gottes Wort in die Gegen­wart hinein interpretiert, um den Weg, also die Lebenspraxis zu finden, die hier und heute Gottes Willen entspricht. Das griechische ego de lego hymin entspricht den hebräischen und aramäischen Worten, mit denen andere Rabbinen zur Zeit Jesu ihre Bibelinterpretationen einleiteten, wenn sie sich von der Lehre anderer unterschieden. Das griechische de ist ein Bindewort, das nach gängigen Lexika nicht mit »aber« übersetzt werden muss. Es kann schlicht »und« meinen.

Jesus hatte wie viele andere »Lust an der Weisung Gottes« (Ps 1,2)
Er lebte sie und lehrte sie die Menschen – wie er es in Mt 5,17–19 für sich und andere betont. Bevor er seine Auslegung beginnt, nennt er den Boden, auf dem er steht, die Tora (Mt 5,17–19):

17Denkt nicht, ich sei gekommen, die Tora und die prophetischen Schrif­ten außer Kraft zu setzen! Ich bin nicht gekommen, sie außer Kraft zu setzen, sondern sie zu erfüllen. 18Wahrhaftig, ich sage euch: Bevor Him­mel und Erde vergehen, wird von der Tora nicht der kleinste Buchstabe und kein einziges Häkchen vergehen, bis alles getan wird. 19Wer nur ein einziges dieser Gebote außer Kraft setzt, und sei es das kleinste, und die Menschen entsprechend lehrt, wird in Gottes Welt als klein gelten. Aber wer sie befolgt und lehrt, wird in Gottes Welt groß genannt werden.

ZUM WEITERLESEN:
• Fiedler, Matthäusevangelium, S. 122–158
Schottroff, Statement
• Vahrenhorst, »Ihr sollt überhaupt nicht schwören«
Wengst, Übersetzen in Verantwortung vor dem Judentum

Luise Schottroff übersetzt den so genannten »Missionsbefehl« in Mt 2819: »Macht euch auf den Weg und lasst alle Völker mitlernen. Taucht sie ein in den Namen Gottes …«. Es geht ihr um die Beziehung der Nachfolgegemeinschaft Jesu zu den Menschen anderer Völker. Im Griechischen steht ethne. Gemeint sind Menschen, die nicht zum jüdischen Volk gehören – also auch wir, die Kirche aus den Völkern. Mt 2819 ruft dazu auf, alle ethne zu Jüngerinnen und Jüngern zu ma­chen (

 77). Durch Christus sind wir zu einer Lerngemeinschaft mit
dem jüdischen Volk geworden.
Oft wird ethne bzw. das hebräische gojim mit »Heiden« übersetzt,

z. B. in Ps 1016: »Die Heiden sollen aus seinem Lande verschwinden«
(Luther 1984), in Jes 823: »Das Land jenseits des Jordan, das Gebiet
der Heiden« (Einheitsübersetzung) oder in Mt 1018: »Man wird euch
vor Statthalter und Könige führen um meinetwillen, ihnen und den
Heiden zum Zeugnis« (Luther 1984, ähnlich Einheitsübersetzung).
Solche Übersetzungen sind fragwürdig. Das Wort »Heide« hat eine
furchtbare Wirkungsgeschichte, erinnert an die Kreuzzüge und die
Zeit der Kolonialisierung. Dahinter steht die gewalttätige und diskri­minierende Vorstellung, Heiden seien Ungläubige, die auch gegen
ihren Willen zu bekehren seien oder gegen die zu kämpfen sei. Die­
ses furchtbare christliche Missverständnis ist längst noch nicht über­wunden. Es ist auch heute noch zu erleben, wenn z. B. muslimische Menschen abgelehnt oder angegriffen werden, weil sie einigen als »Ungläubige« gelten. Hass kann auch durch Sprache entstehen. Das Wort »Heiden« trifft sachlich nicht das mit gojim bzw. ethne Ge­meinte. Denn es geht darum, zu welchem Volk die Menschen gehö­ren (Nicht-jüdisch-Sein), und nicht darum, zu welchem Glauben die Menschen gehören. Darum übersetzt die Bibel in gerechter Sprache ethne etwa in Röm 329: »Oder ist Gott allein Gott jüdischer Menschen? Und nicht auch Gott der Völker? Ja, gewiss: auch der Völker.«

ZUM WEITERLESEN:
Schottroff, Statement Lübeck

Eine der großen Entdeckungen der Bibel in gerechter Sprache ist der Text Mt 11,5 bzw. die Parallele in Lk 7,22: »Arme bringen frohe Bot­schaft.« In traditionellen Bibelübersetzungen, z. B. Luther (1984), ist hier zu lesen: »Armen wird das Evangelium gepredigt.« Erzählt der griechische Text wirklich, dass Arme Objekte und nicht Subjekte der Verkündigung sind?

Mt 115 und Lk 722
Blinde sehen
Lahme gehen
Aussätzige werden rein
Taube hören
Tote erheben sich
Arme euangelizontai

Die Verbform euangelizesthai (»frohe Botschaft bringen«/»Evangelium predigen«) steht im Medium, einer grammatischen Form im Griechi­schen, die als Aktiv oder Passiv übersetzt werden kann. Normaler­weise – so gängige Wörterbücher – ist es bei euangelizesthai aktivisch zu übersetzen. In Mt 11,5 und Lk 7,22 gehört es zu einer Kette von Ver­ben, die (bis auf »Aussätzige werden rein«) ebenfalls als Aktiv wie­derzugeben sind, allein schon weil die dazugehörigen Substantive im Nominativ stehen, also Subjekte sind. In diesem Sinne werden sie auch in gängigen Bibelübersetzungen wiedergegeben – mit einer Ausnahme: den Armen. Ihnen »wird das Evangelium verkündet« (Einheitsübersetzung). Grund für diese Ausnahme könnte die christ­liche Tradition in westlichen Kirchen sein, die in Armen Objekte von Fürsorge, Almosen und Verkündigung sieht. »Diese Almosenmenta­lität hat sich dort verändert, wo die Armen zu Wort gekommen sind: in der weltweiten Ökumene« (Schottroff). Die Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache legt offen, dass im Neuen Testament das Heil zu den Armen kommt, die aufstehen und die Freudenbotschaft wei­ter tragen. Nicht nur die Grammatik, sondern auch der Erzählfluss in beiden Evangelien begründet die Übersetzung der Bibel in gerechter Spra­che. Das Lukasevangelium z. B. baut es folgendermaßen auf: Als Je­sus das erste Mal öffentlich auftritt, liest er Worte aus Jes 61,1 in der Synagoge in Nazareth: »Die Geistkraft  „der Lebendigen“ ist auf mir, denn sie hat mich gesalbt, den Armen frohe Botschaft zu bringen. Sie hat mich gesandt, auszurufen: Freilassung den Gefangenen und den Blinden Augenlicht! Gesandt, um die Unterdrückten zu befreien, auszurufen ein Gnadenjahr  „der Lebendigen“ !« (Lk 4,18–19). Hier sind die Armen noch Objekte. Jesus ist der Aktive. Dann beginnt Jesu Wirken: Jesus heilt viele Menschen, darunter einen Mann mit Aussatz (Lk 5,12–15) und eine gelähmte Person (Lk 5,18–26). Der Sohn einer Witwe steht auf aus dem Tod (Lk 7,11–17). Was Jesus in der Synagoge gelesen hatte, erfüllt sich. Und es wird verbreitet: »In jeden Ort der Umge­bung drang die Nachricht über ihn« (Lk 4,37; ähnlich 5,15). Arme sind es, die die Freudenbotschaft weiter tragen, darunter eine Mutter, die Witwe ist: »Da setzte sich der Tote auf und begann zu reden, und Jesus übergab ihn seiner Mutter. Da wurden alle von Ehrfurcht er­griffen und lobten Gott und sagten: ›Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden‹. Und: ›Gott hat sich unserem Volk rettend zugewandt.‹
Und auf diese Weise verbreitete sich das Wort über ihn in Judäa, sowie im benachbarten Land« (Lk 7,15–17). In Lk 7,22 fasst Jesus die Er­eignisse zusammen: »Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige wer­den rein, Taube hören, Tote erheben sich, Arme bringen frohe Bot­schaft« (Bibel in gerechter Sprache).

ZUM WEITERLESEN:
• Sutter Rehmann, Menschen als Subjekte
Schottroff, Statement Lübeck

Mt 15,21–28 erzählt von einer Frau aus dem kanaanäischen Volk, die Jesus um Hilfe für ihre kranke Tochter anfleht. Jesus weigert sich. Doch die Frau lässt sich nicht abwimmeln. Jesu Jüngerinnen und Jünger schalten sich ein: »Apolyson auten, denn sie schreit hinter uns her«. Apolyson ist eine Form des Verbs mit der Grundbedeutung »loslassen«/»freilassen«, z. B. einen Gefangenen. In Mk 15,6–15 fragt Pilatus, ob er Jesus oder Barabbas »freilassen« soll. Es kann auch »fort­schicken« meinen, z. B. in Lk 16,18 im Zusammenhang mit Scheidung. Ist den Jüngerinnen und Jüngern in Mt 15,23 die schreiende Frau pein­lich und lästig? Wollen sie ihre Ruhe haben und fordern sie deshalb Jesus auf: »Lass sie doch gehen!«? So steht es in Luther (1984). Die Gute Nachricht schreibt: »Sieh zu, dass du sie los wirst!« Oder setzen die Jüngerinnen und Jünger sich bei Jesus für die verzweifelte Frau ein: »Erfüll ihr doch die Bitte!« (so die Neue Genfer Übersetzung) oder: »Befrei sie (von ihrer Sorge)!« (Einheitsübersetzung).
Die Wiedergabe von apolyson auten mit »Lass sie gehen!« wurde von der Reformation befürwortet. Diese Übersetzung wendete sich ge­gen die katholische Lehre, nach der Menschen sich mit dem Wunsch um Fürbitte an Heilige wenden können. Bibelübersetzungen der Re­formation wollten es unmöglich machen, sich dafür auf die Erzäh­lung von der kanaanäischen Frau zu berufen. Die Bibel in gerechter Sprache hat sich für die Wiedergabe »Befreie sie« entschieden, denn es ist der Grundbedeutung des Verbs sehr nah. Außerdem nimmt es ernst, dass zwischen Jesus und den Seinen um richtiges Verhalten gestritten werden kann, wie es auch andere Texte belegen, z. B. Mk 10,13–16, wo es um das Verhalten gegenüber Kindern geht.

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• Crüsemann, Lebendige Widerworte

Das Gleichnis Mt 20,1–16 , erzählt, dass ein Grundbesitzer Tagelöhner zur Arbeit im Weinberg sucht. Vermittlungsort ist der Marktplatz. Dort warten Menschen auf Arbeit. Im Griechischen steht argos, das laut dem altgriechischen Wörterbuch Bauer-Aland in Mt 20,3+6 »Arbeitslose auf dem Markt« meint. Wie in der Elberfelder Bibel und in Luther (1545), so steht auch in Luther (1984): »Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?«. Diese Übersetzung erweckt den Eindruck, die Männer seien faul und arbeitsscheu, und viele Predigten und theologische Fachbücher legen es in diesem Sinne aus. Es ist eine voreingenom­mene Übersetzung, die den Lebensbedingungen der Menschen da­mals wie heute nicht gerecht wird. Berichte aus neutestamentlicher Zeit erzählen von Verelendung, Not und großer Arbeitslosigkeit. Durch hohe Steuerlasten gerieten kleine Bauernhöfe in die Schuldenfalle. Unzählige Frauen und Männer verloren ihr Land und damit ihre Exis­tenzgrundlage. Sofern sie nicht in Schuldsklaverei gerieten, waren sie gezwungen, ihr Auskommen u. a. im Tagelohn zu verdienen. Keine Arbeit zu finden, hieß zu hungern, denn Sozialversicherungen gab es damals nicht. Eine solche Situation erzählt das Gleichnis von den Ar­beitern im Weinberg. Die Bibel in gerechter Sprache nimmt die Not der Menschen wahr: »Als er um die elfte Stunde hinkam, fand er andere dort stehen und sagt zu ihnen: ›Warum steht ihr hier den ganzen Tag arbeitslos?‹ Sie antworten ihm: ›Weil niemand uns eingestellt hat.‹«

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•  Schottroff, Die Gleichnisse Jesu, besonders S. 274–285

Prof. Dr. Luise D. Schottroff

Vortrag anlässlich ihrer Ehrenpromotion am 18. April 2007 in Marburg.

Nach einem dem Anlass entsprechenden Eingangsteil erläutert Luise Schottroff ihre Übersetzung und Auslegung des Gleichnisses Mt 22,1-4. Auf den Abdruck der Übersetzung aus der Bibel in gerechter Sprache folgt die sozialgeschichtliche Analyse der Gleichniserzählung und ein Blick auf die bisherige christliche Deutungstradition dieses Gleichnisses.

Luise Schottroff stellt ihren Zugang zum Gleichnis vom Gastmahl des Königs dar und verweist dabei auf Dtn 7,6-8. Der Schlussabsatz ihres Vortrags steht unter der Überschrift „Von Gott reden – aber wie?“

Das Neue Testament ist innerhalb einer jüdischen Welt entstanden. Die darin genannten Feste pessach und schawuot sind jüdische Feste. Wenn daraus später die christlichen Feste Ostern und Pfingsten er­wachsen sind, darf die Übersetzung der biblischen Texte ihre Ur­sprünge nicht christlich vereinnahmen und suggerieren, zur Zeit des Neuen Testaments seien in den ersten Gemeinden bereits christliche Feste gefeiert worden. Apg 2,1 und 20,16 sprechen vom Fest pentekoste. Gemeint ist das zweite Wallfahrtsfest (hebräisch: schawuot), das sieben Wochen nach Pessach gefeiert wird. Jüdische Menschen im deutschen Sprachraum bezeichnen es als »Wochenfest«. Alle gängigen deutschen Bibelüber­setzungen übersetzen mit »Pfingsten«. Lutherbibeln tragen als Über­schriften: »Das Pfingstereignis« oder »Pfingstpredigt des Petrus«. Ähnliches gilt für das aramäische Wort pas-cha. Es steht im griechi­schen Neuen Testament für Pessach (z. B. Mt 2618). Schon Luther (1545) blendete die jüdischen Wurzeln aus und übersetzte mit »Ostern«/»Osterlamm«, wie es bis heute in Bibelübersetzungen steht und in Bachs Oratorien gesungen wird. Erst ab Luther 1964/75 wird pas-cha mit »Passa« übersetzt, während »Pfingsten« immer noch in gängigen Bibelübersetzungen zu finden ist, dabei in der Guten Nach­richt sogar für Ex 23,16 und bei weiteren Stellen, an denen in der He­bräischen Bibel das »Wochenfest« erklärt wird. Die Bibel in gerechter Sprache entscheidet anders. Ihre Übersetzun­gen »Pessach« und »Wochenfest« legen offen, dass Jesus und seine Nachfolgegemeinschaft jüdische Feste feiern.

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Wengst, Übersetzen in Verantwortung vor dem Judentum

»Macht euch auf den Weg und lasst alle Völker mitlernen. Taucht sie ein in den Namen Gottes.« So übersetzt die Bibel in gerechter Sprache den so genannten »Missionsbefehl« in Mt 2819. In der Zürcher Bibel heißt es: »Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie auf den Namen des Vaters.« Die Übersetzerin des Matthäusevangeli­ums, Luise Schottroff, nimmt das Griechische beim Wort. Dort steht ein Imperativ des Verbs matheteuo (»lernen«), der z. B. von der Zürcher Bi­bel und von Luther mit »macht zu Jüngern« übersetzt wurde (29). Die Nachfolgegemeinschaft Jesu war eine Bewegung, die gemeinsam mit Jesus die Tora gelebt und von ihr gelernt hat und dieses nach Jesu Tod fortsetzte. In dieses Leben und Lernen sollen – so Mt 28,19 – Menschen aus den Völkern einbezogen werden. Es geht um die Hoffnung auf Frieden und Leben in Gerechtigkeit, wie sie schon Mi 4,3–4 ersehnt (70). Wir heutigen Menschen, sofern wir nicht jüdisch sind, sind auch Men­schen aus den Völkern. Durch Christus werden wir hineingerufen in eine Lerngemeinschaft mit dem jüdischen Volk. Im zweiten Teil des Verses Mt 28,19 werden die Jüngerinnen und Jün­ger Jesu aufgefordert: »Taucht sie ein in den Namen Gottes.« Im Grie­chischen steht das Verb baptizo, das meist mit »taufen« übersetzt wird. Die Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache legt die Grund­bedeutung »eintauchen«/»untertauchen« frei. Das Wort wurde zur Zeit Jesu sowohl für das Baden als Körperpflege als auch für rituelle Waschungen verwendet (Sir 34,30; Mk 7,4; Lk 11,38). Die Menschen »ein­zutauchen in den Namen Gottes« bedeutet, sie vollständig in den Fürsorgebereich Gottes hineinzunehmen.

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• Frettlöh, Eingetaucht in den Namen des dreieinigen Gottes
Schottroff, Statement Lübeck

Das Neue Testament verwendet oft die Verben anhistemi und egeiro. Beide meinen »aufstehen«. Egeiro kann auch »aufwecken«/»wach wer­den« bedeuten. Der Hohepriester steht auf (anhistemi), um eine Rede zu halten (Mt 26,62); Josef wacht auf (egeiro) aus dem Schlaf (Mt 1,24); Jesus steht in der Synagoge auf (anhistemi), um einen Text aus der Tora zu lesen (Lk 4,16). Anhistemi wird auch im übertragenen Sinne benutzt und kann dann »sich aufmachen« übersetzt werden (z. B. Apg 8,26). Mit den gleichen Alltagsworten wird im Griechischen erzählt, dass Tote aufstehen, z. B. die Jüngerin Tabitha (Apg 9,41) (29), und dass Gott Jesus aus dem Tod geweckt hat (z. B. Joh 21,14).
Wenn es um Jesus geht, wird im Deutschen ein Kunstwort gebildet:
»auferstehen« (z. B. Mk 16,9 in Luther 1984) oder »auferwecken« (z. B. Röm 6,4 in Luther 1984). Die zwei Buchstaben -er- stehen wie
eine Trennscheibe zwischen dem alltäglichen Erleben von Menschen und dem Evangelium, zwischen den vielen Berichten vom Aufstehen von Menschen ins Leben hinein und dem scheinbar ganz anderen, unvergleichlichen Auferstehen Jesu. Diese zwei Buchstaben sugge­rieren, Auferstehung, Auferweckung, neues Leben gelte bisher nur für Jesus und die bereits Gestorbenen. Das Griechische kennt diesen Unterschied nicht. Es verwendet die glei­chen Wörter, egal, ob es um Jesus oder um andere lebende oder tote Menschen geht. Von allen wird erzählt, dass sie aufstehen, dass sie ge­heilt und aufgerichtet werden, ja dass sie den Tod überwinden und neu leben. Darum wird Mt 8,15 in der Bibel in gerechter Sprache übersetzt: »Sofort ergriff Jesus ihre Hand, das Fieber ließ sie (die Schwiegermutter des Petrus) los und sie stand auf.« Genauso werden die Worte wieder­gegeben, die der Bote Gottes zu den Frauen am Grab sagt: »Jesus ist nicht hier. Denn er ist aufgestanden, wie er es gesagt hat« (Mt 28,6). Die Übersetzerin des Markusevangeliums hat anders entschieden. Sie wählt beide Male die bislang für Jesus reservierte Sprache: »Jesus ging zu ihr (der Schwiegermutter des Petrus), ergriff ihre Hand und ließ sie aus der Krankheit heraus auferstehen« (Mk 1,31). In Mk 16,6 heißt es entsprechend: »Er ist von den Toten auferweckt worden.« Anhistemi und egeiro gehören zu den Begriffen, die in der Bibel in gerechter Sprache am Rand stehen und im Glossar erläutert werden (53). Auch hier sollen Leserinnen und Leser der Bibel in gerechter Sprache die Chance bekommen, Übersetzungsentscheidungen nachzuvollziehen.

ZUM WEITERLESEN:
•  Metzler, Auferstehung (Apg 9,36–42)
•  Praetorius/Strahm/Sutter Rehmann, »Manchmal stehen wir auf …«

Die griechischen Wörter diakoneo/diakonia (»dienen«/»Dienst«) be­ziehen sich zur Zeit des Neuen Testaments auf Menschen, die in ei­nem Unterwerfungsverhältnis stehen. Es sind fast durchgehend Sklavinnen und Sklaven oder Frauen, die zwar nicht versklavt sind, aber unter patriarchaler Herrschaft stehen. Diese Menschen haben abhängige, verachtete Arbeit für Höhergestellte zu leisten. Beispiele dafür finden sich im Neuen Testament. Laut Lk 17,7–10 obliegt Sklavin­nen und Sklaven Feld- und Hausarbeit gleichermaßen, ohne dass sie Anrecht auf Pausen hätten:

7Wer aber von euch hat Sklavinnen und Sklaven auf dem Acker oder auf der Weide und würde zu ihnen sagen, wenn sie von draußen her­einkommen: »Kommt gleich zu Tisch!« 8Würdest du nicht eher zu ihnen sagen: »Bereitet mir etwas zu essen, legt euch eine Schürze um und dient (diakoneo) mir, bis ich gegessen und getrunken habe. Danach sollt ihr essen und trinken.« 9Bist du etwa den Sklavinnen und Sklaven dankbar dafür, dass sie getan haben, was befohlen worden war?

Versklavte Menschen müssen Essen bereiten und so lange bedienen, bis die Herrschaft fertig ist (Lk 17,8). Sie haben Gästen die Füße zu waschen, wie Joh 13,4–6 voraussetzt. Auf Anordnung ihrer Herrschaft müssen sie unwillkommene Gäste fesseln und hinauswerfen (Mt 22,13). Wenn kein Sklave oder Sklavin zur Verfügung steht, ist diese niedrig angesehene Versorgungsarbeit Aufgabe von nicht-versklavten Frauen (Joh 12,2). In Lk 10,38–42 geht es um den Konflikt zwischen Ma­ria und Marta, ob es recht sei, dass die eine Frau diene (diakoneo), während die andere Frau Jesu Schülerin sei. Jesu Lösung besteht nicht darin, dass er – der Mann – diakoneo auf alle verteilt und sich daran beteiligt. Sondern »Jesus erwartet wie alle Männer im Patriar­chat, dass die Hausarbeit geräuschlos und unsichtbar erledigt wird« (Schottroff, S. 301).
Wie selbstverständlich diese Arbeitsverteilung ist, belegt auch au­ßerbiblische antike Literatur. Im Roman von Apuleius: »Metamorpho­sen oder: Der goldene Esel« muss die Sklavin Photos einem Gast in jeder Weise dienen (diakoneo). Sie transportiert sein Gepäck, bereitet ihm das Bad, das Essen, das Bett und muss sogar mit ihm schlafen. Danach versorgt sie ihre Herrin und spült das Essgeschirr. In der Le­bensbeschreibung »Das Leben des Aesop« klagt der Sklave Aesop:

Wie lästig ist die überkommene Knechtschaft. Den Göttern wäre sie
sowieso verhasst: ›Aesop, mach das Tischlager fertig! Aesop, heize das Bad! Aesop, füttere das Vieh!‹ Alles, was mühsam, anstrengend,
schmerzhaft oder erniedrigend ist, muss Aesop erledigen.
(Zitiert nach Schottroff, S. 300)

Diakoneo (»dienen«) markiert eine scharfe gesellschaftliche Grenze. Kein freier, wohlhabender Mann hätte in der Antike solche Arbeit getan. Die Nachfolgegemeinschaft Jesu kehrt diese ungerechten Verhältnisse um (Mk 10,42–45):

42Da rief Jesus sie zu sich und sagte zu ihnen: »Ihr wisst doch: Die als Herrscherinnen und Herrscher über die Völker gelten, herrschen mit Gewalt über sie, und ihre Anführer missbrauchen ihre Amtsgewalt ge­gen sie.43Bei euch soll das nicht so sein! Im Gegenteil: Wer bei euch hoch angesehen und mächtig sein will, soll euch dienen (diakonos), 44und wer an erster Stelle stehen will, soll allen wie ein Sklave oder eine Sklavin zu Diensten stehen. 45Denn der Mensch ist nicht gekommen, um sich bedienen (diakoneo) zu lassen, sondern um zu dienen (diako­neo) und das eigene Leben als Lösegeld für alle zu geben.«

Diakoneo/diakonia kennzeichnen die gesamte Lebensweise der Gruppe um Jesus. Es ist geradezu ein Spezialbegriff für Nachfolge
(z. B. Joh 12,26) und schließt Verkündigung und Fürsorge ein. Die ge­sellschaftliche »Dienst«-Grenze soll aufgehoben sein. Statt Herrschaft und Privilegien soll eine Praxis der Geschwisterlichkeit und Gegen­seitigkeit als Leib Christi (Röm 12,5; 1 Kor 12,25) gelebt werden. Anders als in der griechisch-römischen Gesellschaft sind in der Nachfolge­gemeinschaft Jesu Leitungsarbeit und Versorgungsarbeit nicht von­einander getrennt. Frauen und Männer, Versklavte und Freie sollen sich gleichermaßen beteiligen. Darum wird diakoneo in Mk 15,41 über­setzt: »Diese Frauen waren Jesus schon in Galiläa nachgefolgt und hatten mit ihm in der Verkündigung und in der Versorgung der Gruppe gearbeitet (diakoneo).« In der Parallelstelle in Mt 27,55 heißt es: »Sie waren Jesus von Galiläa an gefolgt, um mit ihm zu arbeiten (diakoneo).« Die Übersetzerin von Lk 8,3 entscheidet sich für: »die ih­nen nach ihrem Vermögen dienten (diakoneo).« An allen drei Stellen steht diakoneo am Rand. Es lädt dazu ein, dessen Bedeutungsbreite im Glossar (53) nachzuschlagen und so die Übersetzungsentschei­dungen nachzuvollziehen. Leider geht der Aufbruch der Frauen und der Versklavten aus patri­archaler Unterdrückung schon bald wieder verloren. Das spiegeln die Diskussionen in den Briefen an Timotheus und Titus sowie die so genannte »Haustafel« in Kol 3,18–4,1. Sie reagieren auf die Praxis, dass Frauen gleichberechtigt am Leben der Gemeinde teilhaben, und ver­suchen, die Unterordnung von Frauen und von versklavten Men­schen (Kol 3,18+22) zu begründen und wieder einzuführen.

Zu diakoneo gehört diakonos. Es bezeichnet Diakone und Diakonin­nen. In Röm 161 stellt Paulus Phöbe vor, die laut Elberfelder Bibel »eine Dienerin der Gemeinde in Kenchreä ist«. Hinter »Dienerin« steht das griechische Wort diakonos. Wenn es Männer bezeichnet
(z. B. Phil 1,1; 1 Tim 3,8), wird es immer mit »Diakon« übersetzt. Dass Frauen »dienen«, Männer aber »Diakone sind«, diese Unterscheidung entlang der Geschlechtergrenze wird den Texten nicht gerecht. In den ersten Gemeinden hatten Frauen und Männer Leitungsaufga­ben, wozu auch die Verkündigung gehörte. Phöbe hat die gleiche Position wie männliche Diakone. Einige Bibelübersetzungen nehmen das wahr, z. B. die Gute Nachricht: »Ich empfehle euch unsere Schwes­ter Phöbe; sie ist Diakonin der Gemeinde in Kenchreä« (Röm 16,1).

ZUM WEITERLESEN:
• Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern, besonders S. 297–325

Die Bibel in gerechter Sprache bleibt auch hier nah am griechischen Text. Dort steht chaire, ein Grußwort, das zum Verb chairo: »sich freuen/fröhlich sein« gehört. Es kann mit: »Sei gegrüßt!« oder mit »Freu dich!« wiedergegeben werden. Dann folgt ein Partizip von charizomai. Es gehört zum Substantiv charis, das u. a. »Gnade«, »Güte«, »Freundlichkeit« bedeuten kann (72). Die Bibel in gerechter Spra­che übersetzt: »Freu dich, du bist mit Gnade beschenkt!« Luther hatte mit Lk 128 große Probleme. Er wollte gerne dem Original­text treu bleiben, fürchtete aber heftigen Protest aus der römisch-ka­tholischen Kirche. Luther war bewusst, dass Übersetzungen nicht all­gemein gültig sind, sondern immer mit der Lebenswelt zu tun haben, für die und in der sie entstehen. Luther schreibt im »Sendbrief vom Dolmetschen«: »Item, da der Engel Mariam grüßet und spricht: Gegrü­ßet seist du, Maria voll Gnaden, der Herr mit dir. Nun wohl, so ist’s bis­her einfach dem lateinischen Buchstaben nach verdeutschet. Sage mir aber, ob solchs auch gutes Deutsch sei? Wo redet der deutsch Mann so: Du bist voll Gnaden? Und welcher Deutscher verstehet, was da heißt: voll Gnaden? Er muss denken an ein Fass voll Bier oder Beutel voll Geldes; darum hab ich’s verdeutscht: Du Holdselige, worunter ein Deutscher sich sehr viel eher vorstellen kann, was der Engel meinet mit seinem Gruß. Aber hier wollen die Papisten toll werden über mich, daß ich den engelischen Gruß verderbet habe, wiewohl ich dennoch damit nicht das beste Deutsch habe troffen. Und würde ich hier das beste Deutsch genommen haben und den Gruß so verdeutscht: Gott grüße dich, du liebe Maria (denn soviel will der Engel sagen, und so würde er geredet haben, wann er hätte wollen sie deutsch grüßen), ich glaube, sie würden sich wohl selbst erhängt haben vor übergroßem Eifer um die liebe Maria, daß ich den Gruß so zunichte gemacht hätte.«

ZUM WEITERLESEN:
•  Martin Luther, Sendbrief vom Dolmetschen

Eine Übersetzung der Begriffe amah bzw. eved (hebräisch) und doule bzw. doulos (griechisch) muss berücksichtigen, wie Sklavinnen und Sklaven in der Antike gelebt haben. Zur Zeit des Römischen Reiches war die Gesellschaft von der Arbeit versklavter Menschen abhängig. Viele lebten unter extrem grausamen Bedingungen. Die Sklaverei betraf massenhaft Frauen, Männer und Kinder. Ursachen waren Kriegsgefangenschaft, Verschuldung, politischer Widerstand, Kindesaussetzung und -verkauf, Geburt durch eine versklavte Mutter. Das jüdische Volk, das im Römischen Reich lebte, hatte aktiv und passiv Anteil daran. Es herrschte eine absolute Sklaverei, in der die Men­schen dem Zugriff ihrer Herrschaft mit dem ganzen Körper ausge­liefert waren. »Alle Formen von Gewalt sind üblich und weitgehend legal: Geschlagenwerden, sexuelle Gewalt, Folter, Ermordung« (Luise Schottroff ). Sklaverei im alten Israel zur Zeit der Entstehung der Hebräischen Bibel unterscheidet sich dagegen sehr von den Bedingungen im Römischen Reich. Sie ist nicht durch den unbegrenzten Zugriff auf Menschen und Gewalt bestimmt. Aber Sklaverei ist auch hier ein Abhängigkeitsverhältnis, das es nach dem Willen Gottes nicht geben soll. Toravorschriften zum Schutz für versklavte Menschen, z. B. Ex 21,1–11, treten dafür ein, die Bedingungen einigermaßen erträglich zu halten.
Die Wörter amah bzw. eved (hebräisch) und doule bzw. doulos (grie­chisch) werden oft mit »Magd« bzw. »Knecht«, manchmal sogar mit »Dienerin« bzw. »Diener« übersetzt. Solche Übersetzungen blenden die soziale Realität aus, in der die Menschen leben mussten. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt daher z. B. in Lk 13,8: »Maria sagte: ›Siehe, ich bin die Sklavin Gottes«. Sklavin Gottes zu sein erteilt aller menschlichen Herrschaft eine Absage.

ZUM WEITERLESEN:
•  Schottroff, »Sklaverei Neues Testament«

Nach Num 15,37–41 sollen jüdische Menschen an ihrer Kleidung »Schaufäden« (hebräisch: zizit, griechisch: kraspedon) tragen. Es sind vier kunstvoll gedrehte Fäden am jüdischen Gebetsmantel (hebrä­isch: tallit). Sie erinnern daran, sich an der Tora Gottes zu orientieren. Das Wort »Schaufaden« wird von deutschsprachigen jüdischen Men­schen verwendet. Jesus ist so gekleidet, wie es der Weisung Gottes entspricht. In Lk 8,44 heißt es von der Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt: »Sie trat herzu, berührte von hinten die Schaufäden seines Gewandes.« Auf gleiche Weise übersetzt die Bibel in gerechter Sprache den Paralleltext in Mt 9,20. Die Wiedergabe mit »Schaufäden« zeigt, wie selbstverständlich und positiv die Evangelien Jesus und seine Nach­folgegemeinschaft in der jüdischen Tradition verankern. Sich an einem Schaufaden – und damit an der Tora, für die Jesus steht –, festzuhalten, heilt die Frau. Erschreckend ist ein Blick in das gängige altgriechische Wörterbuch Bauer-Aland. Es behauptet, kraspedon meine immer »Troddel« oder »Quaste«, »wie es der Israelit (…) nach Num 15,38–39 trug«, –außer wenn es um Jesus gehe. In diesem Fall sei immer mit »Saum seines Gewandes« zu übersetzen. Dieser Logik folgt auch Luther (1984), indem übersetzt wird: »Saum seines Gewandes« (Mt 9,20 , Lk 8,44). Es nimmt Jesus schon in seiner Kleidung aus dem Judentum heraus, obwohl das Griechische keine Veranlassung dazu gibt. Denn in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments wird zizit immer mit kraspedon wiedergegeben, z. B. in Num 15,38–39 und Dtn 22,12.

ZUM WEITERLESEN:
Frettlöh, Von der Heilkraft »ergreifenden« Vertrauens

Das griechische Wort peirazein kann »versuchen«, »ausprobieren«, »etwas genau wissen wollen«, »untersuchen« oder »auf die Probe stellen« bedeuten. Wenn es um Jesus und pharisäische Menschen ( 27) bzw. Schriftgelehrte geht, geben viele Übersetzungen es mit »eine Falle stellen« oder »versuchen« im negativen Sinne wieder. Die Gute Nachricht Bibel schreibt z. B.: »Einer von ihnen, ein Gesetzes­lehrer, stellte Jesus eine Falle« (Mt 22,35). In der Einheitsübersetzung steht: »Da kamen Pharisäer zu ihm und fragten: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Damit wollten sie ihm eine Falle stellen« (Mk 10,2). Es sind voreingenommene, antijüdische Übersetzungen. Sie blenden aus, dass es um ernsthafte Diskussionen über die Be­deutung der Tora im Alltag geht. Jesus und pharisäische Leute dis­kutieren oft miteinander, z. B. beim Gespräch mit Nikodemus (Joh 3) oder in Mk 12,28–34, wo ein Schriftgelehrter und Jesus sich in der Grundsatzfrage einig sind, welches das größte Gebot ist. Bei solchen Diskussionen geht es immer auch darum, herauszufinden, ob das Gegenüber wirklich die Tora kennt, ob also ein Gespräch auf Augen­höhe möglich ist. Solches nimmt die Bibel in gerechter Sprache wahr, wenn sie übersetzt: »Ein Toragelehrter (27+81) erhob sich, um ihn gründlich zu befragen und sprach: ›Lehrer, was muss ich tun, damit ich am ewigen Leben Anteil erhalten werde?‹ Jesus sprach zu ihm: ›Was ist in der Tora geschrieben?‹ (…)« Der Toragelehrte zitiert das Liebesgebot aus Lev 19,18. »Jesus sagt: »Du hast richtig geantwortet. Handle so und du wirst leben« (Lk 10,25–28).

ZUM WEITERLESEN:
• Crüsemann, Einig über die Nächstenliebe

Das griechische logos ist ein sehr weiter Begriff, der je nach Zusam­menhang »Wort«/»Weisheit«/»Rede«/»Sache«/»Fabel«/»Beweis«/ »Sprechen«/»Weissagung« bedeutet oder gar eine göttliche Größe bezeichnet. Kein deutsches Wort kann alle diese Nuancen fassen. Darum ist es nötig zu entscheiden, welcher Aspekt zum Klingen kommt (12). Die Rede von logos hat im Prolog des Johannesevangeliums große Bedeutung. Schon vor der Schöpfung war logos bei Gott (Joh 1,1). Mit logos knüpft Joh 1 an das Sprechen Gottes bei der Schöpfung an (Gen 1). Gleichzeitig ruft es den Bezug des Textes zur jüdischen Weis­heitsliteratur wach, wie wir sie u. a. in Spr 8 und Sir 24 finden. Dort spricht eine weibliche Gestalt, die chochma (hebräisch: »Weisheit«), die schon vor der Schöpfung an Gottes Seite war und mitgewirkt hat, als Gott die Schöpfung ins Leben rief. Dieses Denken war dem grie­chischsprachigen hellenistischen Judentum vertraut. Philo von Ale­xandria, ein jüdischer Philosoph und Zeitgenosse von Jesus und Paulus, hat viel nach dem Verhältnis biblischer Texte zur Philosophie des Griechen Platon gefragt. In einer seiner Schriften verbindet er logos mit chochma – Gottes Wort und Gottes Weisheit – zu einer Ein­heit. Dieser Tradition schließen sich die Übersetzerinnen in der Bibel in gerechter Sprache an, wenn sie Joh 1,1 übersetzen: »Am Anfang war die Weisheit, und die Weisheit war bei Gott, und die Weisheit war wie Gott. Diese war am Anfang bei Gott.« Laut Micha Brumlik, jüdi­scher Erziehungswissenschaftler und Publizist, haben sie damit »das Johannesevangelium in seinen jüdischen Kontext zurückgestellt«.

ZUM WEITERLESEN:
Brumlik, Weisung und Weisheit
Hartenstein, Logos und Weisheit

Nach Joh 7,53–81,1 rettet Jesus eine Frau, die als Ehebrecherin gestei­nigt werden soll. Sie wurde auf frischer Tat ergriffen und soll nach der Tora des Mose gesteinigt werden. Der Text setzt voraus, dass es zwei Augenzeugen gab, denn nur dann darf nach jüdischem Recht ein Urteil ergehen (Num 35,30; Dtn 17,6; 19,15). Gleichzeitig schwingt auf der Textebene mit, dass der Frau Unrecht geschieht. Wahr­scheinlich – so einige Bibelauslegungen – ist die Frau in eine vor­bereitete Falle geraten, wie es sie oft gab, wenn Frauen des Ehe­bruchs überführt werden sollten. Solche üblen Praktiken sind aus zeitgenössischen Quellen bekannt. Der Verdacht wird dadurch er­härtet, dass im Text nichts von einem Mann steht, der mit ihr die Ehe gebrochen hat. Nach Lev 20,10 hätte auch er getötet werden müssen. Das griechische Buch Daniel berichtet gleich zu Beginn von einer bösen Falle, in die drei Richter die mit Jojakim verheiratete Frau Su­sanna locken. Sie wollen sie vergewaltigen. Obwohl Susanna um Hilfe schreit, wird sie wegen der Aussagen der beiden Richter wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt. Daniel entlarvt sie als Lügenzeugen und rettet Susanna. Joh 7,53–8,11 klingt wie eine Parallelerzählung, die von Rettung aus vergleichbarem Unrecht spricht. Auf Ehebruch steht laut Dtn 22,22–24 Steinigung des Mannes und der Frau. Es wird kollektiv ausgeführt. Den Menschen der Antike war bewusst, wie grausam eine solche Hinrichtung war. Jüdische Rechtstexte wie die Mischna erwägen, sie durch Erdrosseln zu er­setzen, weil es weniger qualvoll sei. »Jesus wehrt sich gegen die Steinigung mit Zivilcourage« (Schottroff, S. 269). Er lehnt damit nicht die Tora und damit die jüdische Tradition ab, wie oft ausgelegt wird. Er legt sie eigenständig aus: »Welche unter euch ohne Unrecht sind, mögen als Erste einen Stein auf sie werfen« (Joh 8,7). Seine Argumente überzeugen die pharisäischen und schriftgelehrten Leute, die am Prozess beteiligt sind. Sie wenden sich ab und gehen. Sie schließen sich also der Auslegung von Jesus an. »Im Sinne des Textes ergreift Jesus Partei für die erniedrigte und gequälte Frau. (…) Damit wird die ›patriarchale Ordnung‹ an einem wesentlichen Punkte, ihrer Gewalt über Frauensexualität, in Frage gestellt« (Schottroff, S. 270). Dieser Text von der Frau, die beschuldigt wird, Ehebruch zu bege­hen, fehlt in frühen Handschriften des Johannesevangeliums. Er hat eine wechselhafte Überlieferungsgeschichte. Die Kirche in den ersten Jahrhunderten nach Christi hatte Schwierigkeiten mit dem Text. Denn dass Jesus einer Ehebrecherin vergibt, stand im Kontrast zur kirchlichen Bußdisziplin. Nach Kirchenvater Augustin (354– 430 n. Chr.) könne der Text Männerangst schüren, weil er Frauen Straflosigkeit für ihr Sündigen verschaffe. Offensichtlich ist er erst später in einige Abschriften hinter Joh 752 aufgenommen worden. Es gibt andere Handschriften, die ihn hinter Joh 21,25, Lk 21,38 oder Lk 24,53 einsortieren. Nach Luise Schottroff ist der Text ein »glaub­würdiges Stück alter Jesustradition« (Schottroff, S. 263). Die Erzählung von der Rettung dieser Frau hat auch eine lange und teilweise problematische Wirkungsgeschichte. Dass der Hintergrund eine ordentliche Gerichtsverhandlung ist, wurde ignoriert. Stattdes­sen ließen sich viele Ausleger zu judenfeindlichen Auslegungen ver­leiten: Die Erzählung sei der Beweis dafür, es gäbe im Judentum Lynchjustiz, Jesus aber sei dagegen eingetreten. Hier zeige sich die unmenschliche Rachsucht des Judentums. Jesus urteile anders als das Judentum seiner Zeit. Wo dieses den Tod wolle, dort zeige Jesus der Frau den Weg ins Leben. Anders als der biblische Text es erzählt, stehen Jesus und das Judentum sich gemäß dieser antijüdischen Wertung als Gegensätze gegenüber. Luther (1984) gibt vor Joh 8 den Hinweis: »Der Bericht 7,53–8,11 ist in den ältesten Textzeugen des Johannes-Evangeliums nicht enthalten« und druckt den Text danach ab. Auch die Bibel in gerechter Sprache nimmt den Befund ernst, entscheidet sich aber anders. Sie lässt ihn in der Bibel, weist ihm aber einen Platz als Fußnote zu Joh 7,52 zu. Sie steht zusammen mit einer Erläuterung auf der gleichen und der fol­genden Seite (S. 1998–1999).

ZUM WEITERLESEN:
• Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern, besonders S. 263–270 (Ehebrecherin) und S. 286–288 (Die Ehebrecherin: Jesus stellt ›die Justiz‹ nicht in Frage)
• Schmidt, Zeuge/Zeugin
• Wengst, Nicht den Stab brechen

Prof. Dr. Martin Leutzsch, Mitherausgeber

Wie gehen Bibelübersetzungen mit Antijudaismus im Neuen Testament nach der Shoah um?

Martin Leutzsch zeigt am Beispiel von Joh 8,44 (einer jener Stellen, die zu dem halben Dutzend Sätze im Neuen Testament gehören, die seit alters intensiv für antijüdische und später auch antisemitische Konstruktionen ›der Juden‹ als eines verabscheuungswürdigen Feindes gedient haben) die Bandbreite der Handlungsalternativen innerhalb einer Übersetzung des Neuen Testaments auf. Er belegt mit einer Fülle von Quellenangaben, welche Übersetzungen bisher welchen Weg gegangen sind und weist auf einige der damit verbundenen Probleme hin. Abschließend verortet er u.a. die Übersetzungsentscheidungen der ›Bibel in gerechter Sprache‹ in diesem Tableau.

Joh 21 erzählt, dass die Jüngerinnen und Jünger des Nachts fischen und frühmorgens mit Jesus gemeinsam essen. Im Griechischen steht aristao, ein Wort für »frühstücken«. Einige Bibelübersetzungen igno­rieren es und übersetzen »Mahl halten« (Luther) oder »essen« (Einheitsübersetzung/Neue Genfer Übersetzung/Gute Nachricht/Hoff ­nung für alle). Die Elberfelder Bibel, Schlachter 2000 und Neues Leben entscheiden sich genauso wie die Bibel in gerechter Sprache dafür, möglichst nahe am griechischen Text und gleichzeitig beim heutigen Sprach­gebrauch zu bleiben und übersetzen mit dem Alltagswort »frühstü­cken«.

Apg 10 berichtet von der Rede des Petrus im Haus des römischen Offiziers Cornelius. Apg 10,28 klingt bei Luther (1984) so: »Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen.« Ähnlich lauten andere Über­setzungen. Apg 10,28 dient oft als Beleg für die Annahme, jüdischen Menschen sei generell jeder Kontakt mit nichtjüdischen Leuten ver­boten. Das ist falsch. Das Verb kollao in Apg 10,28 kommt von kolla (»Leim«). Es bedeutet »fest zusammenkleben« und im übertragenen Sinn: »sich eng anschließen«. Daher übersetzt die Bibel in gerechter Sprache: »Ihr wisst, wie wenig es für einen jüdischen Menschen er­laubt ist, mit einem nichtjüdischen engen Kontakt zu pflegen.« Nicht der Kontakt als solcher ist untersagt, sondern allzu enge Beziehun­gen. Sie könnten dazu (ver-)führen, Vorschriften der Tora zu vernach­lässigen und ungerechte Verhaltensweisen der nichtjüdischen Ge­sellschaft zu übernehmen, wie sie in Röm 1,28–32 aufgeführt werden. Es geht auch nicht nur um jüdische Männer, wie die Übersetzung von Luther (1984) suggeriert. Zwar steht im Griechischen aner (Grundbedeutung: »Mann«). Weil es hier Geschlechter umfassend gemeint ist, spricht die Bibel in gerechter Sprache von einem »jüdi­schen Menschen«.

ZUM WEITERLESEN:
Wengst, Übersetzen in Verantwortung vor dem Judentum

In der Gemeinde in Antiochien (Apg 15) wird diskutiert, wie mit der Toravorschrift zur Beschneidung umzugehen sei. Zur Gemeindever­sammlung gehören Frauen und Männer. Gemeinsam ringen sie da­rum, ob die Vorschrift nur für jüdische Männer gilt oder ob sich Män­ner aus anderen Völkern auch beschneiden lassen müssen. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt: »Von Judäa kamen einige herab und lehrten die Geschwister: Wenn ihr euch nicht nach dem Ritus des Mose beschneiden lasst, kann euch nicht geholfen werden« (Apg 15,1). Dies drückt weder aus, dass jetzt auch Frauen beschnitten werden sollen, noch fordert es die jüdischen Männer der Gemeinde auf, sich ein zweites Mal beschneiden zu lassen. »Wenn ihr euch nicht be­schneiden lasst« ist eine plakative Art zu reden, die von der angespro­chenen Gruppe verstanden wird. Genauso kann heute bei einer Dis­kussion um Kindertaufe gesagt werden: »Wenn ihr eure Kinder nicht taufen lasst …«, ohne dass Eltern von getauften Kindern auf die Idee kämen, sie erneut taufen zu lassen.

»Jetzt!« steht, durch Ausrufungszeichen hervorgehoben, an vielen Stellen im Brief an die Gemeinde in Rom. »Jetzt!« ist quasi Eröff nungs­und Schlussakkord zugleich. Es beginnt in 3,21: »Jetzt! unabhängig von der Tora Gottes ist Gottes Gerechtigkeit sichtbar geworden, bezeugt von der Tora, den Prophetinnen und Propheten.« Der Brief endet in 16,26–27 mit:

26 Jetzt! ist sie ans Licht gebracht durch die prophetischen Schriften – wie Gott, Ursprung aller Zeit, es aufgetragen hat – und off enbar ge­worden, um die Antwort des Vertrauens in allen Völkern zu wirken: 27 Gott, einzig und weise, durch Jesus, den Messias, preisen wir dich, durch Zeiten und Welten. Amen.

Paulus setzt mit nyn bzw. nyni (»Jetzt!«) einen besonderen Akzent. Es geht nicht um den Wechsel vom Alten Testament zum Neuen Testa­ment, von jüdisch zu christlich oder gar von Gesetz zu Evangelium, wie oft behauptet wird. »Jetzt!« ist der besondere Zeitpunkt, grie­chisch kairos. »Jetzt« hat mit dem Messias Jesus die Welt Gottes an­gefangen. »Jetzt!« wird wieder einmal wahr, was die Tora verheißt und was gleichzeitig in der Geschichte Gottes mit Israel immer schon existierte: »Oder ist Gott allein Gott jüdischer Menschen? Und nicht auch Gott der Völker? Ja, gewiss: auch der Völker« (Röm 3,29). Was mit Jesus erneut anfing, ist nicht neu und überraschend, sondern wird erwartet und ersehnt. Schon Abraham wurde verheißen: »In dir sol­len sich segnen lassen alle Völker der Erde« (Gen 12,3). »Jetzt!« meint die Hoffnung, dass die Völker zum Zion kommen, um Gottes Weisung zu lernen. »Sie werden ihre Schwerter umschmieden zu Pflugscha­ren. … Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen. Alle werden unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum – und niemand wird sie aufschrecken« (Mi 4,3–4). »Jetzt!« ruft die Hoffnung aus, dass diese Wende zur weltweiten Gerechtigkeit schon begonnen hat. Durchgesetzt hat sie sich noch nicht, auch nicht durch Jesu Tod und Auferstehen. Paulus beklagt, dass die ganze Welt von Ungerechtig­keit und Gewalt durchzogen ist: »Niemand tut Gutes. … Niemand versteht, niemand fragt nach Gott. … Ihre Füße rennen eilig zum Blutvergießen. Zerstörung, Not und Elend auf ihren Wegen. Den Weg des Friedens kennen sie nicht. Gottesfurcht steht ihnen nicht vor Augen« (Röm 3,10–18 , noch ausführlicher in Röm 1,18–20). Gegen diese Analyse der sozialen und politischen Situation seiner Zeit stellt Pau­lus die Hoffnung des »Jetzt!« Ob diese Hoffnung Wirklichkeit wird, hängt auch von Menschen ab, die im Sinne dieses »Jetzt!« leben und handeln. Dazu ruft Paulus mit »Jetzt!« auf.

ZUM WEITERLESEN:
• Crüsemann, Freiheit vom Gesetz?
Crüsemann, Gott glaubt an uns

Prof. Dr. Martin Leutzsch, Mitherausgeber

Wie gehen Bibelübersetzungen mit Antijudaismus im Neuen Testament nach der Shoah um?
Martin Leutzsch widmet sich besonders der unterschiedlichen Übersetzung zentraler Begriffe (nomos, pistis und ethnä) in einer Vielzahl von Bibelübersetzungen. Er zeigt den Entscheidungsspielraum auf und beschreibt, dass in der ›Bibel in gerechter Sprache‹ in Röm 3,27-31 nomos durchgängig mit Tora, pistis durchgängig mit Vertrauen und ethnä mit Völker wiedergegeben ist.

Die weit verbreitete Übersetzung »ich ermahne euch, liebe Brüder«
(u. a. Luther 1545 bis 1984, Elberfelder Bibel, Einheitsübersetzung) nimmt die soziale Realität in den ersten Gemeinden ganz anders wahr als die Wiedergabe mit »ich ermutige euch, Geschwister« (Bibel in ge­rechter Sprache). Laut Wörterbuch ist adelphoi (Grundbedeutung: »Brü­der«) dann mit »Geschwister« zu übersetzen, wenn es Frauen und Män­ner meint. Dass Frauen in den Gemeinden wichtige Aufgaben hatten und »Schwestern« genannt wurden, zeigt die Grußliste in Röm 161–16. Die Gute Nachricht schreibt daher: »Brüder und Schwestern«.

Werden sie nun »ermahnt« oder »ermutigt«? Das griechische Wort parakaleo kommt von kaleo – »rufen«. Laut Wörterbuch bedeutet parakaleo »herbeirufen«/»trösten«/»ermutigen«/»zu Hilfe rufen«/»er­mahnen«/»bitten«/»auffordern«. In Joh 1426 verheißt Jesus den Sei­nen, nach seinem Tod werde Gott ihnen einen paraklet senden. Gän­gige Bibeln übersetzen mit »Beistand«/»Tröster«/»Helfer«. Wenn Paulus die Gemeinden anredet, übersetzen dagegen fast alle Bibel-ausgaben parakaleo mit »ermahnen«. Der deutsche Begriff gehört in den Kontext autoritärer Erziehung. Die Wirklichkeit in den ersten Gemeinden war anders. Paulus hat kein Recht, Weisungen zu erteilen (103). Er »versteht sich als Bruder in der Geschwisterschaft, die sich für das Evangelium einsetzt und ihren Alltag nach der Tora Gottes gestalten will« (Janssen). Dazu will Paulus ermutigen, denn unter der Herrschaft Roms ist es nicht leicht, nach Gottes Willen zu leben. (Röm 12,1–3):

1Ich ermutige euch, Geschwister: Verlasst euch auf Gottes Mitgefühl und bringt eure Körper als lebendige und heilige Gabe dar, an der Gott Freude hat. Das ist euer vernunftgemäßer Gottes-Dienst. 2Schwimmt nicht mit dem Strom, sondern macht euch von den Strukturen dieser Zeit frei, indem ihr euer Denken erneuert. Dann wird euch deutlich, was Gott will: das Gute, das, was Gott Freude macht, das Vollkommene. 3Durch die Befähigung, die Gott mir geschenkt hat, sage ich nun einer jeden und einem jeden von euch: Überfordert euch nicht bei dem, wofür ihr euch einsetzt, achtet auf eure Grenzen bei dem, was ihr vor­habt. Denn Gott hat jedem und jeder ein bestimmtes Maß an Kraft zugeteilt, Vertrauen zu leben.

ZUM WEITERLESEN:
•  Janssen, »Ich ermutige euch, Geschwister …«

Wenn im Neuen Testament das Wort kyrios (meist mit »Herr« über­setzt) steht, muss jeweils geprüft werden, ob es sich auf Gott oder auf Jesus bezieht (34). Gelegentlich wird kyrios als förmliche Anrede eines Höhergestellten verwendet (z. B. Joh 20,15) (44). Im Brief an die Gemeinde in Rom hat die Übersetzerin Claudia Janssen aus die­ser Uneindeutigkeit von kyrios in Röm 14,6–9 ein Wortspiel ge­formt: Sie gibt kyrios mit » die Lebendige « wieder, wenn sie sicher ist, dass kyrios für den Namen Gottes JHWH steht. Wenn in Röm 14,6–9 mit kyrios der Messias Jesus gemeint ist, wählt sie die Übersetzung »der Lebendige«:

6Wer einen Tag besonders schätzt, tut dies doch aus Achtung vor der Lebendigen (…). Die essen, essen aus Achtung vor der Lebendigen , denn sie danken Gott für das, was sie essen. Die nicht essen, verzichten aus Achtung vor der (kyrios) Lebendigen darauf und sagen Gott ebenso Dank dafür. 7Niemand von uns lebt für sich selbst, niemand stirbt für sich
     selbst. 8Leben wir, so gehört unser Leben dem (christos) Lebendigen. Sterben wir, so gehört unser Sterben dem Lebendigen. Ob wir leben oder sterben, wir gehören zum Lebendigen. 9Denn der oMessias ist gestorben und lebendig geworden, damit sich Gottes Macht über Tote und Lebende erweise.

Claudia Janssen begründet ihre Übersetzung so: Im Brief an die Ge­meinde in Rom geht es immer wieder um Auf(er)stehen (
 65), Leben, Lebendigsein. In Vers 6 wird Gott (34+35) für den Tag und das Es­sen gedankt. Darum ist » die Lebendige « hier eine besonders passende Übersetzungsvariante des Namens Gottes. Die Verse 7–9 sprechen vom Messias Jesus, dem die Gemeinde sich angehörig weiß. Er wird ebenfalls kyrios genannt. Sonst wählt Claudia Janssen für kyrios, wenn es sich auf Jesus bezieht, die Verbform: »dem wir gehören« (z. B. 1414). Am Rand der Zeilen steht jeweils kyrios, dessen Bedeutungsbreite im Glossar der Bibel nachgeschlagen werden kann. In Vers 8+9 entscheidet Claudia Janssen sich für »der Lebendige«. Damit ist im Deutschen zu hören und zu lesen, dass die Anreden für Gott und Jesus im Griechischen gleich klingen. Gleichzeitig rückt Claudia Janssen mit » die Lebendige« – »der Lebendige« Gott und Jesus ganz nah aneinander, ohne dass sie deshalb deckungsgleich wären. Diese Übersetzung eröffnet neue Blicke auf die vertrauten Worte, die bei »Herr« für Gott und Jesus nicht zu erkennen sind.

In 2 Kor 7,15 freut Paulus sich über die hypakoe der Menschen in Korinth. Meist wird es mit »Gehorsam« übersetzt. Schon 1968 mahnte Dorothee Sölle, das Wort anders wiederzugeben. Sie verweist auf die Macht der Gehorsams-Forderung der Vergangenheit, die z. B. den streng christlich erzogenen Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, geprägt hat: »Ganz besonders wurde ich immer wieder darauf hingewiesen, dass ich (…) Anordnungen der Eltern, Lehrer, Pfarrer usw., ja aller Erwachsenen bis zum Dienstpersonal unverzüg­lich zu befolgen hätte. (…) Was diese sagten, sei immer richtig. Diese Erziehungsgrundsätze sind mir in Fleisch und Blut übergegangen« (Höß, Autobiographische Aufzeichnungen, zitiert nach: Sölle, S. 11). Spätestens seit Auschwitz ist der Begriff »Gehorsam« vorbelastet. Wegen seiner mörderischen Missbrauchsgeschichte bleibt er vielen im Halse stecken.
»Gehorchen« ist allenfalls eine Nebenbedeutung von hypakoeiv. Das Wort bezeichnet oft einfach »hören«, z. B. eine Stimme von außen, auf die die Sklavin Rhode reagiert (Apg 12,13). Für »gehorchen« im Sinne von »sich unterordnen« oder »sich unterwerfen« steht hypo­tasso, ein militärischer Begriff, der auch »Aufstellen in Reih und Glied« bezeichnen kann. Wie zu übersetzen ist, entscheidet der Textzusammenhang (15). Die ersten Gemeinden sind nicht autoritär aufge­baut. Es gibt keinen Befehl und Gehorsam zwischen Paulus und den Gemeinden, sondern »da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich« (Gal 328). Paulus will und kann nicht die Gemeinden beherrschen und ihnen seinen Willen aufzwingen. Vielmehr wirbt er im Brief an die Gemeinde in Korinth dafür, dass das Reden und Handeln der Menschen sich am Willen Gottes orientiert. Anders als bei »gehorchen« wird mit »hören auf Gott« deutlich, dass es nicht um Unterwerfung unter andere Men­schen geht. Auf Gott zu hören heißt, Gottes Weisung zu reflektieren und sich an ihr im Alltag zu orientieren. Nicht Gott fordert Gehorsam, sondern die Situation fordert eine Antwort, eine Entscheidung im Jetzt, mit Gottes Weisung als Hilfe.

ZUM WEITERLESEN:
•  Sölle, Phantasie und Gehorsam
•  Fokus: Gerechtigkeit im Hinblick auf soziale Realitäten

Dem griechischen Wort charis entspricht im Hebräischen chesed. Beide werden meist mit »Gnade« übersetzt. Sie bedeuten jedoch weit mehr. Im Glossar (53) der Bibel in gerechter Sprache ist dies unter charis und chesed nachzulesen. Laut Wörterbuch kann damit
u. a. »Zuneigung«, »Zuwendung«, »Wohltat«, »Dank«, »Anmut«, »Freundlichkeit«, »Gnade«, »Güte« gemeint sein. Die alleinige Wie­dergabe mit »Gnade« ist eine Engführung. Sie suggeriert, es gehe um etwas, das hierarchisch von oben nach unten gewährt wird, wie es in »Gnade vor Recht« oder »begnadigen« anklingt. Charis ist gegenseitige, freundliche, herzliche, gütige Zuwendung von Mensch zu Mensch oder zwischen Gott und Mensch. Es um­schließt zwischenmenschliche Hilfe z. B. in der Nachbarschaft, die Mitmenschen leisten, ohne dazu formal-rechtlich verpflichtet zu sein. Es ist Haltung und Tun zugleich. Das Beziehungsgefl echt, das charis ausdrückt, durchzieht den Zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth. Paulus schreibt von Gottes oder Christi charis (z. B. 2 Kor 1,2+11+12; 4,15; 6,1; 8,1; 9,14; 12,9; 13,13) und im gleichen Atemzug von der charis der Menschen (z. B. 1,15; 9,8). Wie sehr charis ganz Konkretes umfasst, wird in Kapitel 8 deutlich. Einige der im Römischen Reich verstreuten Gemeinden haben für die Muttergemeinde in Jerusalem Spenden gesammelt. Dieses Geld wird charis genannt (8,4+6+7). Im gleichen Text wird von der charis Jesu Christi (8,9) und von charis als Dank und Ehre an Gott (8,16+19) gespro­chen. Viele Bibelübersetzungen unterscheiden die materielle von der nichtmateriellen charis, obwohl es im Griechischen das gleiche Wort ist. Anders als im übrigen Brief übersetzen sie in 8,4–7 in Bezug auf die Kollekte mit »Liebeswerk« (Einheitsübersetzung) oder »Wohl­tat« (Luther 1984). Marlene Crüsemann, die Übersetzerin von 2 Kor, gibt charis mit »Zuneigung« oder »Zuwendung« wieder: Damit nähert sich Marlene Crüsemann dem Gleichklang des Grie­chischen an, denn »Zuwendung« ist im Deutschen genauso doppel­deutig wie charis in 2 Kor 8: »Geld zuwenden« oder »sich einander in Liebe und Gegenseitigkeit zuwenden«. Bei der Spendensammlung fließt beides ineinander.

2 Kor 8,3–9+19:
3Denn sie [die mazedonischen Gemeinden]  
haben, so viel sie konnten, ja, ich bezeuge, mehr als sie  
konnten, aus eigenem Entschluss gespendet. 4Sie haben  
uns nachdrücklich um die Zuwendung und Gemein­schaft gebeten, die sich aus der Unterstützung der hei­ligen Schwestern und Brüder in Jerusalem ergibt. 5Und sie gaben nicht nur, wie wir es erhofften, nein: Sie haben sich selbst gegeben, zuerst dem Ewigen und auch  
uns, wie es Gottes Wille war. 6Also haben wir Titus ermutigt, diese freundliche Zuwendung (…) zu vollenden. Aber wie ihr in allem reich seid, im Vertrauen und Wort,  im Erkennen und großer Hingabe, in der Liebe, die ihr  von uns bekommen habt und die unter euch lebt, so  gebt auch reichlich für diese Zuwendung. (…) 9Erkennt doch die liebende Zuwendung Jesu Christi, der uns lei­tet: Er, der reich war, ist um euretwillen arm geworden, damit ihr durch seine Armut reich werden sollt. (…)  
19Doch nicht nur das, er [Titus] ist sogar von den Gemein­den zu unserem Weggefährten gewählt worden, wenn wir diese Zuwendung zur Ehre  Kdes Ewigens und als  Zeichen unserer Hilfsbereitschaft nach Jerusalem brin­gen. 

Offb 29 und 39 sind in der christlichen Theologie sehr lange aus­schließlich antijüdisch ausgelegt worden. Die christliche Gemeinde in Smyrna werde von der »Synagoge des Satans« bedrängt, schreiben viele Übersetzungen. Dort werde Gott gelästert von denen, die von sich sagen, sie seien jüdische Menschen, es aber nicht sind, wird ge­schlussfolgert. Gemeint sei das Judentum im Allgemeinen oder zu­mindest die ortsansässige jüdische Gemeinde mit der Synagoge als Zentrum. Die Übersetzung des Wortes synagoge als »Synagoge« im oben genannten Sinne ist hier unbegründet und Ausdruck christli­cher Vorurteile. Das griechische Wort synagoge wird in neutesta­mentlicher Zeit noch nicht so eingeschränkt verwendet. Synagoge kommt vom Verb synago – »versammeln« und kann allgemein (Menschen-)Versammlungen bezeichnen. In Jak 22 ist synagoge der Versammlungsort der christlichen Gemeinde. In der griechischen Übersetzung von Gen 19 wird der Sammelort für die Wasser des Himmels synagoge genannt. Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt Offb 29: »Ich kenne deine Be­drängnis und Armut (…) und die Gotteslästerung derjenigen, die sich als jüdisch ausgeben, ohne es zu sein, sondern eine Versammlung des Satans sind«. In der Johannesoffenbarung bezeichnet »Satan« die rö­mische Staatsmacht, unter der die Menschen leiden und die den Kaiser als Gott verehrt. Offb 29 wertet das Judentum also positiv. Wieso der Text Menschen abspricht, jüdisch zu sein und sie Satan nennt, ist nicht klar. Möglicherweise ist eine nichtjüdische Gruppe gemeint, die sich auf Jesus als Messias bezieht. Diese könnte Schutzrechte beanspru­chen, die dem Judentum zustehen, und Kompromisse mit Rom einge­hen, was als Götzendienst gilt. Der Weltmacht Rom die Ehre zu geben
– und damit den Kaiser als Gott zu verehren – ist eine Gefahr, der auch die Gemeinde der Johannesoffenbarung ausgesetzt ist.

ZUM WEITERLESEN:
Crüsemann, Übersetzt die Bibel in gerechter Sprache genau genug?
Wengst, Übersetzen in Verantwortung vor dem Judentum

Viele der hier besprochenen Bibelstellen stammen aus dem Buch: „Fragen und Antworten zur Bibel in gerechter Sprache“ von Luise Metzler und Katrin Keita, das 2009 publiziert wurde und inzwischen vergriffen ist. Mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen sind sämtliche Texte inzwischen auf dieser Internetseite veröffentlicht. Alle Verweise in diesem Buch möchten wir hier noch einmal zusammenfassend nennen:

Die jeweils unter »Zum Weiterlesen:« verwendeten Kurztitel finden sich als Referenz in dieser Liste.

1. Bibelausgaben und Wörterbücher

Zum hebräischen Text
Biblia Hebraica Stuttgartensia, K. Elliger und W. Rudolph (Hg.), Stuttgart 1997
Gesenius, Wilhelm, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch über das
Alte Testament, bearbeitet von Meyer, Rudolf u. a., Bd. 1, Berlin17 1997

Zum griechischen Text
Septuaginta Vetus Testamentum Graecum auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum, Göttingen 1974–1999
Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece, Stuttgart 27 1993
Bauer, Walter/Aland, Barbara, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schrif­ten des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin/ New York 6 1988 (Bauer-Aland)

Bibelübersetzungen
Bibel in gerechter Sprache, herausgegeben von Ulrike Bail, Frank Crüsemann, Marlene Crüsemann, Erhard Domay, Jürgen Ebach, Claudia Janssen, Hanne Köhler, Helga Kuhlmann, Martin Leutzsch, Luise Schottroff, (Hg.), Gütersloh 2006 (Bibel in gerechter Sprache)
Biblia, das ist, die gantze Heilige Schrifft, Deudsch. Auffs neu zugericht. D. Mart. Luther. Gedruckt zu Wittemberg durch Hans Lufft. MDXLV. (Luther 1545)
Das Neue Testament. Übersetzt von Fridolin Stier, Aus dem Nachlass heraus­gegeben von Eleonore Beck, Gabriele Miller und Eugen Sitarz, 1989 (Stier)
Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments nach der Übersetzung Martin Luthers, mit Apokryphen, revidierte Fassun­gen von 1912, 1972 und 1984, Stuttgart (Luther 1912, Luther 1972 oder Luther 1984)
Die Gute Nachricht Bibel, Altes und Neues Testament, revidierte Fassung der »Bibel in heutigem Deutsch«. Stuttgart 1997 (Gute Nachricht)
Die Heilige Schrift, aus dem Grundtext übersetzt, Elberfelder Bibel revidierte Fassung, Wuppertal/ Zürich 3 1992 (Elberfelder Bibel) Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Stuttgart 81958 (Buber/ Rosenzweig) Die vierundzwanzig Bücher der Heiligen Schrift nach dem masoretischen Text, übersetzt von Leopold Zunz, Tel Aviv 1997 (Zunz)
Kleine Jerusalemer Bibel, Herder Übersetzung mit dem vollständigen Kommen­tar der Jerusalemer Bibel, Herderbücherei Bd. 1760, Freiburg, Basel, Wien 2 1968 (Jerusalemer Bibel)
NGO 2003: Neue Genfer Übersetzung, Teilausgabe des Neuen Testamentes, Gen­fer Bibelgesellschaft Holzgerlingen, Hässler 2003 (Neue Genfer Übersetzung)

 

2. www.bibel-in-gerechter-sprache.de

Nicht alle genannten Texte sind erstmals auf der Website der Bibel in gerech­ter Sprache erschienen. Wo dies nicht der Fall ist, wird auf die entsprechende Quelle verwiesen.

Brumlik, Micha, »Weisung und Weisheit – Wie die Bibel in gerechter Sprache das Neue Testament ins Judentum zurückbringt«, 2007 Crüsemann, Frank, Bemächtigen? Niederzwingen? – Die Herrschaft der Men­schen über Tiere und Erde (Gen 1), 2007 Crüsemann, Frank, Gott glaubt an uns – Röm 321–31: Die Tora und die Rechtfer­tigungslehre, 2007 Crüsemann, Frank, Jenseits der Gemütlichkeit. Allein die Schrift! Eine Erwiderung
auf Karin Bornkamms Kritik an der »Bibel in gerechter Sprache«, 2007 Crüsemann, Frank, Sexualisierung des Gottesbildes?, 2007 Crüsemann, Frank, Übersetzen statt Übertragen, 2007 Crüsemann, Frank, Übersetzt die Bibel in gerechter Sprache genau genug? Wird sie
wirklich dem hebräischen und griechischen Ausgangstext gerecht?, 2007 Crüsemann, Frank, Übersetzung oder Interpretation? Zur Spannung zwischen Ausgangstext und deutschen Bibelausgaben, 2007 Crüsemann, Marlene, Eine Bibel ohne »Jesus Christus«? Und Jesus nicht als
»Sohn« und »Herr«? Stimmen die Vorwürfe?, 2007 Crüsemann, Marlene, Ist der Teufel immer männlich?, 2007 Ebach, Jürgen, Gott und Adam, keine Rippe und die Schlange, die »mehr drauf«
hat, 2007 Ebach, Jürgen, Grundzüge der Bibel in gerechter Sprache, 2006 Ebach, Jürgen, Was ist an Hirtinnen so beängstigend?, 2007
,)1–18 – Zum Johannesprolog (Joh 1 Logos und Weisheit ,Judith, Hartenstein
Evangelische Frauen in Hessen und Nassau (Hg.), Wo mein Herz sich freut und meine Würde tanzt: Psalm 16, Darmstadt 2008
Fokus: Gerechtigkeit im Hinblick auf soziale Realitäten, 2007
Fokus: Textgerechtigkeit, 2007
Frettlöh, Magdalene L., Von der Heilkraft »ergreifenden« Vertrauens, zuerst er­schienen in: Junge Kirche, 69. Jahrgang, 3/08, S. 67–70
2007
Köhler, Hanne, Bedeutet der Titel »Bibel in gerechter Sprache«, dass alle anderen Übersetzungen ungerecht sind?, 2007
Köhler, Hanne, Feministischer Studientag zur Bibel in gerechter Sprache, Uni­versität Marburg, 2007
Kuhlmann, Helga, Kann »Gerechtigkeit« Kriterium für eine Bibelübersetzung sein?, 2007
Leutzsch, Martin, Die heutige Lutherbibel ist nicht die Bibel Martin Lu­thers, 2007
Leutzsch, Martin, Skandal und Verbrechen – Begleiterscheinungen neuer Bibel­übersetzungen. Das riskante 16. Jahrhundert, zuerst erschienen in: Zeit­schrift für Gottesdienst und Praxis 2/2007, Gütersloh, 10–13
Leutzsch, Martin, Statement zu Antijudaismus Deutscher Evangelischer Kirchen­tag Köln, 8. Juni 2007, im Rahmen des Podiums: »Allein die Schrift – aber welche? Die Bibel in gerechter Sprache im Streitgespräch«
Luther, Martin, Sendbrief vom Dolmetschen (1530), WA 30,2
Maier, Christl, »Ein feste Burg ist unser Gott …«, Infoletter Nr. 7, 2005
Schottroff, Luise, Aber pater heißt doch Vater, oder?, 2007
Schottroff, Luise, Artikel »Pharisäerinnen«, 2007
Schottroff, Luise, Sind die »Zwölf« zwölf Männer?, 2007
Schottroff, Luise, Votum zur Bibel in gerechter Sprache. Präsentation in Zürich, 9.11.2006
Schottroff, Luise, Statement zur Bibel in gerechter Sprache in Lübeck vom 19.2.2007
Stellungnahme des Herausgabekreises als Grundlage für das Gespräch mit dem Rat der EKD, 2007
Stellungnahme des Theologischen Beirats der Nordelbischen Evangelisch- Luthe­rischen Kirche, April 2007
Taschner, Johannes, Zur Übersetzung der beiden Dekalogfassungen in Ex 20 und Dtn 5, in: Bibel in gerechter Sprache, Infoletter Nr. 9, 2006
Wengst, Klaus, »Bibel in gerechter Sprache« – Übersetzen in Verantwortung vor dem Judentum, 2007

3. Andere Homepages

Beschluss der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen während ihrer Tagung vom 13.–16. November 2007, in: www.ekvw.de
Regelung für den Gottesdienst. ekir.info 7/2006 der Evangelischen Kirche im Rheinland (pdf), S. 7, in: www.ekir.de

4. Bücher und Artikel

Albertz, Rainer, »Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist«. Micha 6,1–8 , in: Susanne Dimpker (Hg.), Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist. Exegetische Skizzen zum 26. Deutschen Evangelischen Kirchentag Hamburg 95, 1994
Albrecht, Ruth, Artikel »Apostelin/Jüngerin«, in: Elisabeth Gössmann/Helga Kuhl­mann/Elisabeth Moltmann-Wendel/Ina Praetorius/Luise Schottroff /Helen Schüngel-Straumann/Doris Strahm/Agnes Wuckelt (Hg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, 2., vollständig überarbeitete und grundlegend erweiterte Auflage, Gütersloh 2002, S. 33–36
Bail, Ulrike, Gegen das Schweigen klagen. Eine intertextuelle Studie zu den Kla­gepsalmen Ps 6 und Ps 55 und der Erzählung von der Vergewaltigung Ta­mars, Gütersloh, 1998
Breitmaier, Isa, Adam, Eva und »die Rippe«, in: Isa Breitmaier/Luzia Sutter Reh­mann (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Lehren und lernen mit der Bibel in ge­rechter Sprache Band 1, Gütersloh 2008, S. 77–82
Breitmaier, Isa/Sutter Rehmann, Luzia, Beispiele englischer Übersetzungen, in: Isa Breitmaier/Luzia Sutter Rehmann (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Lehren und lernen mit der Bibel in gerechter Sprache Band 1, Gütersloh 2008, S. 63–64
Breitmaier, Isa, Bezeichnung und Reihenfolge der biblischen Bücher, in: Isa Breit-maier/Luzia Sutter Rehmann (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Lehren und lernen mit der Bibel in gerechter Sprache Band 1, Gütersloh 2008, S. 83–89
Breitmaier, Isa, »Die ganze griechische Ester«: Ein Lehrstück in Sachen Textge­rechtigkeit, in: Schlangenbrut 95/2006: Übersetzen, S. 9–13
Breitmaier, Isa, Frauenberufe in biblischer Zeit, in: Isa Breitmaier/Luzia Sutter Rehmann (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Lehren und lernen mit der Bibel in gerechter Sprache Band 1, Gütersloh 2008, S. 31–35
Brooten, Bernadette, »Junia … hervorragend unter den Aposteln« (Röm 16,7), in: Elisabeth Moltmann-Wendel (Hg.), Frauenbefreiung, München 21982
Butting, Klara, Mit der Bibel ins Gespräch kommen, in: Junge Kirche, 68. Jahrgang, 4/2007, S. 1–4
Butting, Klara, Prophetinnen gefragt. Die Bedeutung der Prophetinnen im Ka­non der Tora und Prophetie, Wittingen 2001
Butting, Klara/Minnard, Gerard/Sutter Rehmann, Luzia (Hg.), Markus, Wittingen: Erev-Rav, 2007
Bonhoeff er, Dietrich, Die Kirche vor der Judenfrage, in: Dietrich Bonhoeff er, Gesammelte Werke, hg. v. Eberhard Bethge, Band 2: Kirchenkampf und Finkenwalde. Resolutionen – Aufsätze – Rundbriefe 1933 bis 1943, Mün­chen 21965
Crüsemann, Frank, Dekalog? Fünf Sätze zum Verständnis des Dekalogs, in: Frank Crüsemann, Maßstab: Tora. Israels Weisung und christliche Ethik, Gütersloh 2003, S. 57–66
Crüsemann, Frank, Eva – die erste Frau und ihre Schuld. Ein Beitrag zu einer ka­nonisch-sozialgeschichtlichen Lektüre der Urgeschichte, in: Frank Crüse­mann, Kanon und Sozialgeschichte. Beiträge zum Alten Testament, Güters­loh 2003, S. 55–65
Crüsemann, Frank, Freiheit vom Gesetz? Gott glaubt an uns – Glaube und Tora in Römer 3, in: Frank Crüsemann, Maßstab: Tora. Israels Weisung und christ­liche Ethik, Gütersloh 2003, S. 67–87
Crüsemann, Frank, Der Gewalt nicht glauben. Hiobbuch und Klagepsalmen – zwei Modelle theologischer Verarbeitung traumatischer Gewalterfahrun­gen, in: Frank Crüsemann/Marlene Crüsemann/Claudia Janssen/Rainer Kessler/Beate Wehn (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel. Festschrift für Luise Schottroff, Gütersloh 2004, S. 269–298
Crüsemann, Frank, Maßstab: Tora. Israels Weisung und christliche Ethik, Güters­loh 2003
Crüsemann, Marlene, Einig über die Nächstenliebe. Der Text für die Bibelarbeit am Freitag: Lk 1025–37, in: Junge Kirche, 69. Jahrgang, extra/2008, S. 11–18.
Crüsemann, Marlene, Lebendige Widerworte. Der Text für das Feierabendmahl: Matthäus 1521–28, in: Junge Kirche, 67. Jahrgang, extra/2006, S. 44–48
Crüsemann, Marlene, Zur Übersetzung und graphischen Gestaltung des Gottes-namens in beiden Testamenten der »Bibel in gerechter Sprache«, in: Helga Kuhlmann (Hg.), Die Bibel – übersetzt in gerechte Sprache? Grundlagen einer Übersetzung, Gütersloh 2005, S. 173–177
Domay, Erhard/Köhler, Hanne (Hg.), der gottesdienst. Liturgische Texte in ge­rechter Sprache, Band 4: Die Lesungen, Gütersloh 2001
Ebach, Jürgen, Wie kann die Bibel gerecht(er) übersetzt werden?, in: Helga Kuhl mann (Hg.), Die Bibel – übersetzt in gerechte Sprache?, Gütersloh 2005, S. 36–60
Ebach, Jürgen, Zur Wiedergabe des Gottesnamens in einer Bibelübersetzung, in: Helga Kuhlmann, (Hg.), Die Bibel – übersetzt in gerechte Sprache. Grund­lagen einer neuen Übersetzung, Gütersloh 2005, S. 150–158
Eco, Umberto, Quasi dasselbe mit anderen Worten. Über das Übersetzen. Über­setzt aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber, 2006
Evangelische Kirche von Westfalen, Landessynode 1994: Anregungen zur gerech­ten Sprache im Gottesdienst. Bezug: EKvW, Postfach 101051, 33510 Bielefeld
Fander, Monika, Das Evangelium nach Markus. Frauen als wahre Nachfolgerin­nen Jesu, in: Luise Schottroff/Marie-Theres Wacker (Hg.). Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1998, S. 499–512
Fiedler, Peter, Das Matthäusevangelium, Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 1, Stuttgart 2006, S. 122–158
Fischer, Irmtraud, Gotteskünderinnen. Zu einer geschlechterfairen Deutung des Problems der Prophetie und der Prophetinnen in der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002
Frettlöh, Magdalene L., Eingetaucht in den Namen des dreieinigen Gottes: Taufe – Name – Raum, in: Magdalene L. Frettlöh (Hg.), Gott, wo bist DU? Kirchlich-theologische Alltagskost Band 2, Erev-Rav Hefte: Biblische Erkundungen 11, Wittingen 2009
Frettlöh, Magdalene L., Gottes Mutterschößigkeit – ein weibliches Gottesbild. Zur möglichen Unmöglichkeit geschlechtsspezifischer Rede von Gott, in: Jürgen Ebach u. a. (Hg.), Gretchenfrage. Von Gott reden, aber wie? Band 2, Jabboq 3, Gütersloh 2002, S. 135–218
Frettlöh, Magdalene L., Trinitarische Wohngemeinschaft. Ha-maqom – die ge­räumige Gottheit, in: mitteilungen der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland, Heft 437 (Dezember 2007), S. 15–23
Gerber, Christine, »Gott Vater« und die abwesenden Väter. Zur Übersetzung von Metaphern am Beispiel der Familienmetaphorik, in: Christine Gerber/Benita Joswig/Silke Petersen (Hg.), Gott heißt nicht nur Vater. Zur Rede über Gott in den Übersetzungen der »Bibel in gerechter Sprache«, Biblisch-theologi­sche Standpunkte Band 32, Göttingen 2008, S. 145–161
Gielen, Marlis, Frauen in den Gemeinden des Paulus, Von den Anfängen bis zum Ende des 1. Jahrhunderts, Salzburger Theologische Zeitschrift 6, 2002
Hövelmann, Hartmut, Kernstellen der Lutherbibel. Eine Anleitung zum Schrift­verständnis. Texte und Arbeiten zur Bibel 5, Bielefeld 1989
Ilan, Tal, Silencing the Queen. The Literary Histories of Shelamzion and Other Jewish Women, TSAJ 115, Tübingen 2006
Janssen, Claudia, Gott, spürst du unsere Sehnsucht? Brief an die Gemeinde in Rom 818–25, in: Claudia Janssen/Beate Wehn (Hg.), Wie Freiheit entsteht. So­zialgeschichtliche Bibelauslegungen, Gütersloh 1999, S. 102–105
Janssen, Claudia, »Ich ermutige euch, Geschwister …« Zum Brief an die Ge­meinde in Rom. in: Schlangenbrut 95/2006, S. 5–8
Janssen, Claudia, Richtige Übersetzung – gibt’s die überhaupt? in: Erhard Domay/ Hanne Köhler (Hg.), Werkbuch Gerechte Sprache, Praxisentwürfe für Ge­meindearbeit und Gottesdienst, Gütersloh 2003, S. 12–31
Janssen, Claudia, Seht, der Stern steht still. Der Text für den Schlussgottesdienst Matthäus 21–15, in: Junge Kirche 0/2005, S. 6–13
Jens, Walter, Die vier Evangelien: Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Stuttgart 2003
Jeremias, Jörg, Der Prophet Amos, ATD 24–2, Göttingen 1995
Kessler, Rainer, Die Juden als Kindes- und Frauenmörder? Zu Est 811, in: Erhard Blum/Christian Macholz/Ekkehard W. Stegemann (Hg.), Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte. Festschrift für Rolf Rendtorff zum
65. Geburtstag. Neukirchen-Vluyn 1990, S. 339–345
Leutzsch, Martin, Dimensionen gerechter Bibelübersetzung, in: Helga Kuhlmann (Hg.), Die Bibel – übersetzt in gerechte Sprache?, Grundlagen einer Über­setzung, Gütersloh 2005, S. 16–35
Leutzsch, Martin, Jüdin, Bürgerin, Ärztin, Jüngerin, Apostelin. Frauenrollen in der Bibel sichtbar machen – eine Herausforderung für gerechte Bibelübersetzung, in: Erhard Domay/Hanne Köhler (Hg.), Werkbuch Gerechte Sprache, Praxisent­würfe für Gemeindearbeit und Gottesdienst, Gütersloh 2003, S. 105–116
Luther, Martin, Brief an Wenzeslaus Link vom 14. Juni 1528, in: Luther Deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl für die Gegenwart, hg. v. Kurt Aland/Michael Welte, Band 10: Die Briefe, Göttingen 19832, S. 188–189
Metzler, Luise, Auferstehung (Apg 936–42), in: Dietlinde Jessen/Stefanie Müller (Hg.), Entdeckungen. Ungewöhnliche Texte aus dem Neuen Testament. Grundlagen – Auslegungen – Kreative Zugänge, Stuttgart 2003
Metzler, Luise, Kleines Mädchen Hoff nung. Andacht zu 2 Kön 5,1–14, in: Arbeits­hilfe zum Weitergeben 4/2008, S. 23–26
Neusner, Jacob, Das Judentum in frühchristlicher Zeit, Stuttgart 1988
Praetorius, Ina/Strahm, Doris/Sutter Rehmann, Luzia, »Manchmal stehen wir auf …« Gespräch über Auferstehung, in: Evangelische Theologie 57/3, S. 225–241
Schäfer-Bossert, Stefanie, Den Männern die Macht und den Frauen die Trauer? Ein kritischer Blick auf die Bedeutung von avon – oder: Wie nennt Rahel ihren Sohn?, in: Feministische Hermeneutik und Erstes Testament. Analysen und Interpretationen, Stuttgart 1994, S. 106–125
Schmidt, Uta, Artikel »Zeuge/Zeugin«, in: Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Frank Crüsemann/Kristian Hungar/Claudia Janssen/Rainer Kessler/ Luise Schottroff (Hg.), Gütersloh 2009
Schottroff, Luise, Artikel »Sklaverei Neues Testament«, in: Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Frank Crüsemann/Kristian Hungar/Claudia Janssen/ Rainer Kessler/Luise Schottroff (Hg.), Gütersloh 2009
Schottroff, Luise, Frauenhände – die Arbeit von Frauen im Neuen Testament, in: Luise Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozial­geschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994, S. 120–136
Schottroff, Luise, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2005
Schottroff, Luise/Sölle, Dorothee, Die Kraft der Legenden: Geburt und Kindheit, in: Luise Schottroff/Dorothee Sölle, Jesus von Nazareth, dtv Portrait, Mün­chen 2000, S. 9–18
Schottroff, Luise, Maria Magdalena und die Frauen am Grabe Jesu, in: Luise Schottroff, Befreiungserfahrungen. Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testaments, 1990
Schottroff, Luise, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994
Schüngel-Straumann, Helen, Artikel »Geist/Ruach«, in: Elisabeth Gössmann/ Helga Kuhlmann/Elisabeth Moltmann-Wendel/Ina Praetorius/Luise Schottroff/Helen Schüngel-Straumann/Doris Strahm/Agnes Wuckelt (Hg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, 2., vollständig überarbeitete und grundlegend erweiterte Auflage, Gütersloh 2002, S. 206–208
Schüngel-Straumann, Helen, Artikel »Prophetin«, in: Elisabeth Gössmann/Helga Kuhlmann/Elisabeth Moltmann-Wendel/Ina Praetorius/Luise Schottroff / Helen Schüngel-Straumann/Doris Strahm/Agnes Wuckelt (Hg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, 2., vollständig überarbeitete und grundle­gend erweiterte Auflage, Gütersloh 2002, S. 460-462
Sölle, Dorothee, Phantasie und Gehorsam. Überlegungen zu einer zukünftigen christlichen Ethik, Stuttgart/Berlin 1968
Sutter Rehmann, Luzia, Menschen als Subjekte, in: Isa Breitmaier/Luzia Sutter Rehmann (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Lehren und lernen mit der Bibel in gerechter Sprache Band 1, Gütersloh 2008, S. 27–30
Sutter Rehmann, Luzia, Die Zwölf und die Apostelinnen, in: Isa Breitmaier/Luzia Sutter Rehmann (Hg.), Gerechtigkeit lernen. Lehren und lernen mit der Bibel in gerechter Sprache Band 1, Gütersloh 2008, S. 89–92
Vahrenhorst, Martin, »Ihr sollt überhaupt nicht schwören«. Matthäus im halachi­schen Diskurs, WMANT 95, Neukirchen-Vluyn 2002, S. 218–234
Vahrenhorst, Martin, Paulus und das pharisäische Judentum, in: Sung-Hee Lee-Linke (Hg.), Paulus der Jude, Frankfurt am Main 2005
Wacker, Marie-Theres, Ester. Jüdin – Königin – Retterin, Stuttgart 2006
Wengst, Klaus, Nicht den Stab brechen über die, die sich verfehlen, in: Klaus Wengst, Das Johannesevangelium. 1. Teilband: Kapitel 1–11, Theologischer Kommentar zum Neuen Testament; Band 4.1, Stuttgart u. a. 2000, S. 301– 308
Wengst, Klaus, Wahrheit, Fremdsein und Abrahamskindschaft, in: Klaus Wengst, Das Johannesevangelium. 1. Teilband: Kapitel 1–11, Theologischer Kom­mentar zum Neuen Testament; Band 4.1, Stuttgart u. a. 2000, S. 325–347

 

PD Dr. Magdalene L. Frettlöh, Rektorin des Kirchlichen Fernunterrichts (KFU) der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland (EKM) in Magdeburg

Predigt zu Matthäus 9,20–22 im Festgottesdienst zur Eröffnung der neuen Dienststelle der Frauenarbeit der Föderation Evangelischer Kirchen inMitteldeutschland (EKM) am 10. April 2008 in der Marktkirche zu Halle

… Die Bibel in gerechter Sprache bringt präzise zum Ausdruck, wonach die Frau voller Vertrauen greift, nämlich nach einem Schaufaden am Gebetsmantel, den Jesus als frommer Jude trägt. Die Schaufäden an den vier Zipfeln des Gewandes erinnern daran, dass der Gott Israels sein Volk aus der Knechtschaft in die Freiheit geführt hat und ihm am Sinai Gebote als Hinweise und Hilfe zum Leben gab…

Quelle: Junge Kirche 3-2008

Predigt über Lukas 22, 31-36 in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache

Sonntag, 25. Februar 2007 in der Ev. Friedenskirche Charlottenburg

Von Dr. Elisabeth Raiser

Der Gottesname in der Bibel in gerechter Sprache

Ein Unterrichtsentwurf für die Sekundarstufe II

von Hermann Köhler

Schönberger Hefte 3/2012

S. 17-20

Die Bibel in gerechter Sprache und die Gütersloher Erzählbibel

Wie oft denn noch die immer selben Debatten um großes I, um mitgemeint und mitgenannt, um Gleichheit und ‚ich brauch das nicht (mehr)‘, um ‚wir wissen doch, dass Gott kein Mann ist, deshalb muss er doch nicht weiblich benannt werden‘?“ So und so ähnlich fragen viele von uns sich immer wieder… Aber wir halten daran fest: Je mehr Mädchen und Jungen damit aufwachsen, dass Frauen und Männer genannt werden, dass Gott mal Richterin und mal König heißt, mal Freund und mal Mutter – desto klarer und selbstverständlicher wandert alle Diskussion von der Metaebene ins echte Leben, von der reinen Kopfgeburt in Bauch, Herz und Hand.

Die Bibel in gerechter Sprache und die Gütersloher Erzählbibel als ihre ‚kleine Schwester‘ stehen neben vielem anderen auch eben dafür: Jungen und Mädchen, Frauen und MÄnner sprachfähig zu machen in Fragen von Bibel und Glaube, von Theologie und der Suche nach Sinn. Als Sprachhilfen stehen bewährte Werkzeuge wie etwa das Glossar und die Gesprächstexte (BigS) oder der Wechsel der Gottesbezeichnungen (Erzählbibel) zur Verfügung – beide, die Bibel für die ‚Großen‘ wie auch für die, die noch damit beschäftigt sind, groß zu werden, aber auf keinen Fall mehr zu den ‚Kleinen‘ zählen, gehen hier Hand in Hand, ergänzen einander.

Auf dies und mehr geht Kerstin Schiffner in ihrem Beitrag für den Ende letzten Jahres veröffentlichten Sammelband ›Gender – Religion – Bildung. Beiträge zu einer Religionspädagogik der Vielfalt‹ (herausgegeben von Annebelle Pithan, Silvia Arzt, Monika Jakobs, Thorsten Knauth, Gütersloher Verlagshaus; siehe Produktinformation auf der Verlagsseite) ein.