malach (hebr.); angelos (griech.) – Bote, Botschaft, Engel, Engel(s)gestalt.
malach / angelos ist ein schillernder Begriff. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht lässt sich formulieren: malachim / angeloi (Pl.) sind Wesen irdischer oder himmlischer Herkunft, die von Menschen oder nichtmenschlichen Wesen geschickt werden, um Botschaften auszurichten. Nicht nur vom Himmel hoch
kommen sie, auch vom Teufel können sie geschickt werden (Mt 25,41); die Tradition, dass es sich bei Satan um einen gefallenen Engel handelt, basiert auf biblischen Stellen wie 2 Petr 2,4 und Jud 6.
Die hebr. wie die griech. Sprache differenzieren dabei nicht zwischen menschlichen und göttlichen Boten(wesen), erst die (lat.) Vulgata trägt die Unterscheidung in menschliche (nuntius) und göttliche (angelus; von dort das dt. Wort Engel) Boten in ihre Textwiedergabe ein.
Auch eine Botin oder ein Bote Gottes ist also nicht automatisch himmlischer Herkunft. Zum einen bezeichnet die Bibel ausdrücklich Menschen als Boten Gottes (Hag 1,13); der Prophet Maleachi trägt dies sogar in seinem Namen (Mein Bote
, Mal 1,1). Paulus bedankt sich für die große Gastfreundschaft mit dem Hinweis darauf, wie ein Gottesbote aufgenommen worden zu sein (Gal 4,14). Und Hebr 13,2 mahnt zur Gastfreundschaft mit dem Hinweis darauf, dass niemand wissen könne, ob es sich bei den Gästen nicht um angeloi handele. Zum anderen zeigt sich oft erst im Nachhinein, dass das Gegenüber in einer Begegnung ein himmlischer Bote war (Ri 13,21).
Boten Gottes erscheinen primär sozial Schwachen, Ausgegrenzten, Einsamen (Gen 16,7.12; Ri 13,3-21; Lk 1,26-38) zu deren Rettung aus Krisensituationen. Zentral ist nicht ihre Person, sondern ihre Botschaft, hinter der sie auch in Gänze verschwinden können (1 Kön 19,5.7; Spr 13,17; vgl. Ex 3,2). In manchen Texten bleiben die Grenzen zwischen Gott und Gottes malach bewusst fließend (Gen 22,1-19).
In der späteren Tradition, wie sie sich im gegenwärtigen deutschen Sprachgebrauch weiter erhält, wird der Begriff Engel
zum neuen Sammelbegriff für alles, was nicht irdischer Herkunft ist, also auch für die Gottessöhne
(Gen 6,2), die Kerubim (Gen 3,24) und die Serafim (Jes 6,2-7). Angelehnt an bekannte Formulierungen lässt sich also sagen: Gottes Engel brauchen keine Flügel, sind nicht notwendig Männer, müssen nicht einmal eine Gestalt haben – und sind nicht automatisch und ausschließlich gut
(z. B. Offb 15–18).
Die Bibel in gerechter Sprache zielt mit den gewählten Formen der Wiedergabe darauf, dieser Vielfalt biblischen Redens von malach / angelos gerecht zu werden. Dabei sind sie sich bewusst, dass jede Übersetzungsentscheidung (neue) Fragen aufwirft: Wie kann deutlich werden, dass das Geschlecht von malachim / angeloi nicht feststeht, wenn malach / angelos mit Bote
wiedergegeben wird (nur einmal feminin in Jes 42,19)? Haben malachim / angeloi, sofern sie nicht irdischer Herkunft sind, überhaupt ein Geschlecht? Und verschärft sich das andere Problem, nämlich das der Sonderstellung von Botenwesen nicht irdischer Herkunft, womöglich sogar, wenn malach / angelos mit Engelsgestalt
(1 Chr 21,12.15-30; Apg 12,8-10 u. ö.) wiedergegeben wird, um in der deutschen Sprache ein feminines Wort zu verwenden?
Anders als in der gesamtbiblischen Tradition, nach der Begegnung zwischen Menschen und Gott sehr viel häufiger unvermittelt
geschieht als mit Hilfe von malachim / angeloi, zeigt die aktuelle Beliebtheit von Engeln in unterschiedlichsten Formen der Darstellung mindestens zweierlei: Zum einen lässt sich das Bedürfnis nach himmlischem Beistand und Begleitung auf diese Weise ausdrücken (für die biblische Basis der Vorstellung von Schutzengeln
vgl. das Buch Tobit, insbesondere Kap. 4). Zum anderen formulieren Menschen so ihre Sehnsucht nach spürbarem
Kontakt zum Göttlichen (K. S.)