lev, levav (hebr.); kardia (griech.) – Herz, Verstand, Inneres.

Der hebr. Begriff lev (gelegentlich auch levav) und sein griech. Pendant kardia werden in deutschen Bibelübersetzungen überwiegend mit Herz wiedergegeben. Alle drei Begriffe gehen über das rein Anatomische hinaus. Bei Organbezeichnungen im Hebräischen ist dies grundsätzlich der Fall (↑ nefesch, ↑ ruach). Der Unterschied zum Hebräischen besteht allerdings darin, dass im deutschen Begriff Herz eine Trennung von Verstand und Gefühl, Körper und Geist mitschwingt. Diese Aufteilung hat ihren Ursprung im platonischen Denken und ist besonders in der Romantik stark wiederbelebt worden. Sie wirkt bis heute nach. Diese Entgegensetzung ist dem atl. Begriff lev / levav fremd. Gerade dort, wo es um Beziehungen in all ihren Facetten geht, nimmt der Begriff lev / levav eine tragende Rolle ein. Da die ntl. Schriften zutiefst vom atl. Denken geprägt sind, kann dies auch für die Verwendung und Bedeutung des griech. Wortes kardia gelten. Die Übersetzungen der Bibel in gerechter Sprache weisen aus diesen Gründen eine ganze Bandbreite von Übersetzungen von lev und kardia auf.

Beide Begriffe bezeichnen zunächst den Sitz der Erkenntnis des Menschen. So fordert Gott von Israel einen einsichtigen Verstand (lev), einen klaren Blick und ein offenes Ohr (Dtn 29,3). kardia ist der Ort der Urteilskraft, mit der ein Mensch über gut oder böse urteilt (Röm 2,15). Darum kann eine Person in ihrem eigenen Herzen (Gen 17,17) bzw. in ihrem Inneren denken (Gen 24,45). Mose fordert Israel dazu auf, dass ihm die Worte am Herzen liegen mögen, die er ihm am Tag vor der Landnahme auf den Weg gibt (Dtn 6,6).

Das mit lev und kardia Bezeichnete ist auch die treibende Kraft hinter allen Taten. Das Deuteronomium unterstreicht die Forderung nach Aufrichtigkeit im levav und dementsprechenden Taten (Dtn 15,9). So treibt es z. B. die Mitglieder des Volkes zu freiwilligen Spenden an (Ex 35,21). Wenn Jeremia versucht, das Wort Gottes zurückzuhalten, brennt es in seinem lev wie Feuer (Jer 20,9). Das für ihn dabei Unerträgliche ist die Ungerechtigkeit (Jer 23,9f).

Auch Gott lässt sich im eigenen lev bewegen: Wegen der Verwirklichungen der Planungen des menschlichen Herzens schmerzt es Gott mitten im Herzen, die Menschen gemacht zu haben (Gen 6,5f). Nach der Sintflut trifft Gott ebenso im Herzen den Beschluss, die Erde nicht noch einmal wegen der Menschen zu verfluchen (Gen 8,21).

lev und kardia können das Personeninnere schlechthin bezeichnen. Hier ergeben sich Überschneidungen in der Bedeutung mit den Begriffen ↑ nefesch und ↑ ruach. Mit den Begriffen lev und kardia geht oft eine Unterscheidung zwischen innen und außen einher. Auf das Innere allein kommt es an, nicht auf das, was vor Augen ist (1 Sam 16,7; 1 Thess 2,17; 2 Kor 5,12). Was im Herzen einer Person ist und was somit aus ihr herauskommt, entscheidet über ihre Reinheit und über die Frage, ob sie ein Leben im Sinne Gottes führt (Mk 7,19-23).

Im Zentrum der Person wirkt Gott (Spr 16,1.9) und wohnt die Geistkraft (2 Kor 1,22; Gal 4,6). Die beiden Emmausjünger stellen fest, dass ihnen das Herz brannte, als ihnen der unbekannte Wanderer die Schrift öffnete (Lk 24,32). Die atl. Aussagen gehen so weit zu sagen, dass Gott die Tora in das Herz der Menschen schreiben (Jer 31,33) und es sogar völlig neu erschaffen wird (Ez 11,19). (J. T.)