kipper (hebr.) – sühnen, versöhnen, besänftigen; kapporet (hebr.), hilasterion (griech.) – Sühnmal, Versöhnungsort.
Im Recht bezeichnet kipper den Vorgang, dass eine schuldige Person an die geschädigte Seite Entschädigung als Basis zu Konfliktbewältigung und Aussöhnung leistet. So sendet Jakob an den von ihm betrogenen Esau (Gen 27) große Teile seines Reichtums, um sein Angesicht
zu versöhnen
(Gen 32,21). Dagegen wird ein betrogener Ehepartner keine Sühne annehmen, sondern Rache (↑ nakam) üben (Spr 6,34 f). Besonders das verwandte Wort kofer ist Teil einer differenzierten Terminologie für Opferentschädigung (Ex 21,30; Ausnahme: Tötungsdelikte Num 35,31). Doch kann kipper auch einfach die Besänftigung eines zornigen Machthabers bezeichnen (Spr 16,14).
Weder der rechtliche Vorgang noch der eventuelle konkrete Ursprungssinn (in Gen 6,14 bezeichnet kipper das Abdichten der Arche) erschließen den theologischen Begriff der Sühne. Zwar dürften hinter den Sünd- und Schuldopfern (Lev 4 f, ↑ Opfer) und den Riten des Versöhnungstages (Lev 16) alte Traditionen stehen. Aber deren Sinn ist unklar. Ob eine Ersatzleistung an die Gottheit vorliegt und was es mit den Blutriten auf sich hat, ist umstritten, auch weil dahinter eine Geschichte sich überlagernder Deutungen steht. Umso eindeutiger ist der intendierte theologische Sinn der vorliegenden Texte. Hier geht alles von Gott selbst aus. Das Grundmuster ist vielleicht am eindeutigsten in Jes 6 zu erkennen. In der Gegenwart von Gottes Heiligkeit (V. 3) droht der unreine Mensch (V. 5) zu vergehen. Der Sühnevorgang, in diesem Fall die Berührung mit einer glühenden Kohle (V. 6 f), geht von Gott aus, bewirkt Entsündigung und damit Sündenvergebung (vgl. Dtn 21,8; Ps 78,38; 79,9). Gott selbst ermöglicht durch Sühne Gemeinschaft mit Gott – genau das ist der Sinn der priesterlichen Texte, aus der die Hauptmasse der Belege kommt. Die Sühneriten werden als Reinigungs- und Versöhnungshandlung
von Gott selbst geboten und am Ende steht die eindeutige Aussage, dass Gott vergibt (Lev 4,20.26.31.35 mit sog. passivum divinum). Solche Vergebung durch Gott setzt voraus, dass eine Versöhnung mit geschädigten Menschen im Sinne ihrer Entschädigung vorher vollzogen wurde (Num 5,5-8; vgl. Mt 5,23 f). Zwar ist die Sprengung von Blut an den Altar das Spezifikum der zur Reinigungs- und Versöhnungshandlung
gehörenden Opfer (bes. Lev 17,11), doch wie wenig noch am Blut hängt, zeigt die Tatsache, dass bei Armut auch ein Zehntel Efa feines Mehl als Reinigungsgabe
ausreicht und zur gleichen Vergebung führt (Lev 5,11-13).
Im priesterlichen Konzept des Heiligtums gibt es im Allerheiligsten über der Lade einen kapporet genannten Gegenstand, eine Art Platte
aus Gold unter den Kerubim (Ex 25,17-21). An diesem Sühnmal
(Luther: Gnadenstuhl) konzentriert sich die Gegenwart Gottes: Dort will ich mit dir zusammenkommen und mit dir reden
; von hier aus ergehen die Gebote (Ex 25,22; vgl. Lev 1,1). Der Ort der Gegenwart und des Redens Gottes ist der, von dem Sühne und Vergebung ausgeht. Wenn Christus nach Röm 3,25 von Paulus mit der griech. Übersetzung dieses Gegenstandes als hilasterion bezeichnet wird, so als öffentliches Lebens- und Versöhnungszeichen
, und gerade nicht als Sündopfer(tier). Auch sonst im Judentum werden Märtyrer und Märtyrerinnen mit diesem Begriff bezeichnet und gelten damit als Ort, von dem Sündenvergebung ausgeht (4 Makk 17,22). Das Wort kommt im NT sonst nur noch in Hebr 9,5 bei der Beschreibung des atl. Heiligtums vor. Weil auch verwandte Worte im NT ausgesprochen selten sind (Verb hilaskomai in Lk 18,13; Hebr 2,17; Nomen hilasmos in 1 Joh 2,2; 4,10), ergibt sich: Der Tod Jesu wird nicht mit Hilfe der Terminologie der kultischen Sühneriten gedeutet (andere Deutungen durch ↑ Opfer[begriffe], als Pessachlamm oder von Jes 53 her sind davon sprachlich und sachlich zu unterscheiden); sie ist eine Möglichkeit, die Vergebungsbereitschaft Gottes zu bezeichnen. (F. C.)