mathetai (griech.) – Lernende, JüngerInnen, SchülerInnen, Gefolgsleute.

In den Evangelien und in der Apg werden Menschen, die von und mit Jesus lernen, als mathetai (Plural v. mathetes) bezeichnet. Dass Jesus mathetai hatte, ist jedoch nichts Singuläres, sondern solche Gefolgsleute sind im Zusammenhang mit philosophischen Schulen der Antike und aus dem rabbinischen Judentum bekannt. Sie ordneten sich einer Autorität unter und bildeten eine Lern- und Lebensgemeinschaft. So ist besonders in 2 Kön von Schülerinnen und Schülern der Prophetie die Rede (2 Kön 4,1.38; vgl. auch Am 7,14). In den Evangelien ist zu lesen von mathetai in der pharisäischen Bewegung (Mt 22,16) und Gefolgsleuten Johannes des Täufers (Mt 11,2; Mk 6,29; Joh 1,35 u. ö.; ↑ baptizo). Andere bezeichnen sich als Jüngerinnen und Jünger des Mose (Joh 9,28). Alle in den Evangelien erwähnten Nachfolgegemeinschaften bemühen sich um ein dem jüdischen Glauben entsprechendes Leben. Sie unterscheiden sich aber – je nachdem, welcher Schule sie angehören – in der Beurteilung, welches Verhalten, welche Lehre in der jeweiligen Situation angemessen ist (Mk 2,18).

Üblicherweise ging die Initiative, in solche Nachfolgegemeinschaften einzutreten, von denjenigen aus, die dort lernen wollten (vgl. Mt 8,19). Die Evangelien berichten, dass Jesus Einzelne als seine Gefolgsleute berief (Mk 1,16-20). Eine solche Berufung konnte auch scheitern (Mk 10,21 f). Insgesamt folgte Jesus aber eine große Zahl (Joh 4,1) von mathetai, viele von ihnen Frauen (Mt 12,49; 27,55; Mk 15,41; Lk 8,1-3). Jesus erwartete von den Menschen, die ihm folgten, dass sie ihr bisheriges Leben (Beruf, familiäre Bindungen und Verpflichtungen, Wohnort und evtl. Besitz) verließen und zum Leiden bereit waren (Mt 16,24 f; Lk 9,57-62).

Während heute vielfach der Eindruck besteht, Jesus hätte nur zwölf männliche Jünger gehabt und dies seien die Apostel, lehrt ein genauer Blick in die biblischen Texte, zwischen den mathetai, den apostoloi und den Zwölf (↑ dodeka) zu unterscheiden: Dass Jesus deutlich mehr als 12 mathetai hatte, wird z. B. in Lk 10,1 offensichtlich, wo 70 paarweise ausgesendet werden. Die vielen mathetai, die Jesus nicht weiter folgen, sind andere als die Zwölf (Joh 6,66 f). Paulus nennt sich selbst und gilt als Apostel, obwohl er weder zur Gefolgschaft Jesu vor der Kreuzigung noch zu den Zwölf gehörte (Röm 1,1). Unter denjenigen, die die Auferstehung Jesu bezeugen, sind die apostoloi und die Zwölf deutlich unterschiedene Personengruppen (vgl. 1 Kor 15,4-9). Die Schülerin / Jüngerin Tabita (Apg 9,36) gehört nicht zu den Zwölf. Auch in Apg 6,2 zeigt sich, dass die Zwölf und die mathetai unterschiedliche Gruppen sind.

Wenn der grammatisch maskuline Plural mathetai verwendet wird, ist damit – wie auch sonst im Griechischen – nicht unbedingt die Feststellung über das Geschlecht der Bezeichneten getroffen (vgl. Junia als eine der hervorragenden apostoloi in Röm 16,7 oder Damaris in Apg 17,34 als eine der andres, ein Wort, das offensichtlich nicht nur Männer meint). Wer konkret im Blick war, ist jeweils aus dem Kontext zu schließen. Traditionell wird mathetai im Deutschen mit Jünger wiedergegeben, ein Wort, das an einen spätmittelalterlichen Handwerksbetrieb erinnert und heute fast nur noch in Bezug auf die Gefolgsleute Jesu verwendet wird. Eine moderne Übersetzung z. B. mit Schülerinnen und Schüler vermeidet die mittelalterliche Vorstellungswelt und verdeutlicht, dass es nicht um ein Leitungsamt, sondern um ein Eintreten in eine Lern- und Lebensgemeinschaft geht. Aber ist eine solche Übersetzung in heutige Begriffe durchgängig sinnvoll, solange mit Verweis auf die angeblich männlichen Jünger Jesu immer noch Frauen von bestimmten kirchlichen Ämtern und Aufgaben ausgeschlossen werden? Ist es heute noch nötig, auf den Jüngerinnen zu bestehen, damit die historischen Fakten eine Chance gegen die patriarchale Wirkungsgeschichte haben? Oder können wir mathetai bereits angemessener als Menschen, die von und mit Jesus lernen übersetzen?

Unabhängig von den historischen Gegebenheiten verbinden die einzelnen ntl. Bücher mit ihrer unterschiedlichen Darstellung der genannten Menschengruppe jeweils besondere theologische Intentionen: Das Joh beruft sich auf den namenlosen Jünger, den Jesus liebte, um die eigene Überlieferung als glaubwürdig herauszustellen (Joh 21,20-24). Im Mk wird betont, dass Jesus an den Jüngerinnen und Jüngern festhält, obwohl sie ihn nicht verstehen und immer wieder scheitern (Mk 9,18.32; 14,37-40.66-72), bis hin zur Flucht der Jünger nach der Gefangennahme (Mk 14,50). Allein die Jüngerinnen verfolgen die Kreuzigung von Ferne (Mk 15,40). Als sie aber am Ostermorgen den Auftrag bekommen, die Auferstehung Jesu zu bezeugen, fürchten auch sie sich und fliehen (Mk 16,1-8). Die Nachfolgegemeinschaft wird so transparent für die Gemeinde, die das Mk überliefert hat, für fehlbare Menschen, deren Aufgabe es ist, das Evangelium (↑ euangelion) weiterzusagen. In Mt 28,19 (lasst alle Völker mitlernen) – dort wird das Verb matheteuo verwendet – ist zu beobachten, dass über diejenigen hinaus, die Jesus zu Lebzeiten folgten, später auch Männer und Frauen aus anderen Völkern (ethnos, ↑ goj) für die Sache Jesu gewonnen werden und zur Lern- und Lebensgemeinschaft dazukommen sollen.

In der Apg ist zu lesen, dass in jener Zeit die Zahl der Schülerinnen und Schüler zunahm (Apg 6,1) und sich zunächst jüdische Menschen verschiedener Herkunft diesem Kreis anschlossen. Der Terminus mathetai wird hier als generelle Bezeichnung der Menschen verwendet, für die Jesus nachösterlich der Christus (christos, ↑ maschach) ist (Apg 6,1 f; 18,27 u. ö.). In nachbiblisches Zeit setzte sich stattdessen eine Bezeichnung durch, die im NT nur ganz am Rande (z. B. in Apg 11,26) vorkommt und zunächst eine Bezeichnung der Messiasanhängerschaft aus der kritischen Außenperspektive ist: christianoi (auch dies grammatisch maskulin Plural, zur Bezeichnung beider Geschlechter). (H. Kö.)