kyrios (griech.) – Herr, Gebieter, Besitzer.

Gesellschaft

Als höfliche Anrede besonders gegenüber Höhergestellten entspricht griech. kyrios (kyrie) dem deutschen Herr bzw. mein Herr (Lk 7,6; Joh 20,15). In der antiken griech.-römischen Gesellschaftsordnung bezeichnet der Begriff kyrios vor allem die umfassende Verfügungsgewalt, die politische Herrschaft mit sich bringt und sich, abgesehen vom Vermögen, besonders an Grund und Boden, auch über Menschen als Eigentum erstreckt: kyrioi besitzen (Mt 18,23-34, Apg 16,16) Sklavinnen und Sklaven (↑ avad) und entscheiden über das Leben der für sie Arbeitenden (Mt 21,40 f). Daneben kann jede/r Besitzende z. B. von Tieren Herrin (Tob 2,13) oder Herr (Lk 19,33) sein, ebenso bei der Führung des Hauses (Mt 10,25, Mk 13,35) und in höheren Rängen der Verwaltung (Mt 9,38). Auch Ehefrauen nennen ihre Männer kyrios (1 Petr 3,6) und Kinder ihre Väter (Mt 21,30). Die größten Herren sind die Herrscher und Könige der Erde (1 Kor 8,5; Offb 17,14), der römische Kaiser (Apg 25,26), die Macht des Geldes (Mt 6,24) und die der ↑ Sünde (Röm 6,14).

Jesus Christus

Die Gemeinden (↑ kahal), die Jesus als Messias (↑ maschach) Gottes bekennen, verkünden ihn im absoluten Sinn als den Herrn (2 Kor 4,5; Phil 2,11), der aller anderen Herrschaft überlegen ist und diese in die Schranken weist. Eine solche Herrschaft dessen, von dem erklärt wird, dass sein Leben dem eines Sklaven (doulos ↑ avad) glich (Phil 2,7), erweist sich als Paradox, indem die Anrufung dieses Herrn (Offb 22,20) als Befreiung (1 Kor 1,2) und Lösung von allen anderen Herren vorgestellt wird (Gal 5,1). Die Dialektik der Befreiung von menschlicher Herrschaft durch den messianischen Herrn im Namen Gottes formuliert Paulus besonders klar (1 Kor 7,22 f). In der Bibel in gerechter Sprache wird dieses Grundbekenntnis zu Jesus oft verbal wiedergegeben: dem wir gehören (Röm 1,4; 2 Kor 5,6; Kol 1,3 u. ö.); zu dem wir gehören (Gal 1,3); der über uns verfügt (2 Petr 1,14); der für uns sorgt (2 Petr 3,18); dem wir uns unterordnen (Jud 4); der uns leitet (1 Thess 4,1). Dieser Versuch, nicht immer nur Herr, Herr zu sagen (so die Übersetzung von Mt 7,21 in anderen Bibelausgaben), soll die traditionelle Sprachform variieren und auch auf diese Weise die Tradition lebendig halten, damit die bleibende Aussage Herr ist Jesus Christus umso kräftiger hervortreten kann.

Name Gottes

Das hebr. Wort adonaj für den atl. Namen Gottes, das Tetragramm, wird in griech. Übersetzungen des AT, wie der Septuaginta, sowie den apokryphen und ntl. Schriften im allgemeinen mit kyrios wiedergegeben. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass wir von den ursprünglichen Übersetzungen lediglich Abschriften kennen, die Generationen bzw. Jahrhunderte jünger sind als die ursprünglichen Übersetzungen und Texte selbst. Es gibt Hinweise, dass in ihnen Sonderzeichen, auch hebr. Buchstaben für den Gottesnamen gestanden haben. Dies weist auf eine Suchbewegung nach dem angemessenen Umgang mit dem Gottesnamen im griechischsprachigen Judentum hin. Dadurch, dass die Abschriften der alten Übersetzungen des AT fast nur noch das griech. Wort kyrios als Ausdruck der Heiligung des Namens wählen, wird einer Vermännlichung Gottes Vorschub geleistet. Zudem kommt es im NT absichtlich und unabsichtlich zur Identifizierung und Verwechslung Gottes mit Christus, da hier beide kyrios genannt werden (z. B. in einigen Handschriften von 1 Kor 10,9). Bisherige Übersetzungen in moderne Sprachen haben diese Tendenz verstärkt. Die Bibel in gerechter Sprache versucht, mehr zu differenzieren: Immer, wenn im NT und den Apokryphen nach Meinung der Übersetzenden kyrios für den Gottesnamen steht, besonders klar in AT-Zitaten, aber auch an anderen Stellen (z. B. Mt 1,20; Mk 13,20; Lk 1,6; Röm 10,12; 2 Tim 2,22; Jak 3,9), wird dies durch die hierfür vorgesehene Kennzeichnung im Bibeltext (s. in der Einleitung o. S. 15 f; ferner ↑ Gott) angezeigt und wird eine der Wiedergaben des Gottesnamens gewählt, wie sie auch für die hebräischen Schriften benutzt werden und in der Kopfzeile angegeben sind, im Bereich von Apokryphen und NT umrahmt mit den griech. Buchstaben kappa – sigma. An manchen Stellen im NT muss heute allerdings offenbleiben, ob Gott oder Christus mit der Bezeichnung kyrios gemeint ist; hier wird eine solche Markierung nicht vorgenommen. Der Glossarbegriff kyrios am Rand bezeichnet daneben in der Regel den Bezug auf Jesus oder die gesellschaftliche Herrschaft und Anrede. (M. C.)