avad (hebr.) – arbeiten; eved (hebr.) – Sklave; doulos (griech.) – Sklave.
Das hebräische Verbum avad bezeichnet jede Form von Arbeit: die unabhängige Arbeit (Gen 2,15), die abhängige Arbeit einer freien Person, die in den Dienst einer anderen Person tritt (Gen 29,18), und die Arbeit von Sklavinnen und Sklaven, die erzwungen werden kann (Lev 25,46). Im Unterschied zu wilden Tieren (Hiob 39,9) leisten auch Haustiere solche abhängige und unfreie Arbeit.
Das mit avad zusammenhängende eved steht ebenso wie griech. doulos für eine bestimmte soziale, wirtschaftliche, rechtliche und politische Rolle: die des Sklaven oder der Sklavin. Versklavt sein heißt: völlig in der Verfügungsgewalt einer anderen Person sein, keine eigenständige Bewegungsfreiheit haben, vielfältigen Formen von Gewalt ausgesetzt zu sein, sexuell ausgebeutet werden können, sich in der Selbst- und Fremdsicht ganz unten in der sozialen Rangordnung befinden, keine oder höchst eingeschränkte Rechte haben, womöglich gar nicht als Person, sondern als Sache betrachtet zu werden, am öffentlichen Leben nicht teilnehmen und es nicht mitgestalten können. Die größte Angst von Freien war, in die Sklaverei zu geraten; die größte Sehnsucht der Versklavten, Freiheit zu erlangen. Ursache von Versklavung war oft Überschuldung: Die überschuldete Person selbst oder ein Mitglied ihrer Familie musste sich dem Gläubiger als Sklave oder Sklavin zur Verfügung stellen. Auch Kriegsgefangene erwartete häufig die Sklaverei. Kinder einer Sklavin hatten von vornherein Sklavenstatus. Freie Personen konnten auch durch Kidnapping und anschließenden Verkauf auf dem Sklavenmarkt in die Sklaverei geraten.
Die Tora zielt darauf ab, Sklaverei und die damit verbundenen Beeinträchtigungen einzuschränken und abzumildern. Das Risiko der Überschuldung soll durch die Sozialgesetzgebung (Zinsverbot, Armenzehnt u. a.) minimiert werden; falls sie doch eintritt, sollen ihre Auswirkungen begrenzt und befristet werden (Schuldenerlass im Sabbatjahr Dtn 15,1-11). Israelitische Sklaven können erwarten, nach sechs Jahren freigelassen zu werden (Ex 21,2-6) und, mit einer materiellen Grundausstattung versehen (Dtn 15,12-15), eigenständig zu wirtschaften. Sklaven und Sklavinnen sind Personen; erleiden sie körperliche Gewalt mit bleibenden Folgen, sind sie sofort freizulassen (Ex 21,26 f). Der Alltag der Sklaverei wird ebenso wie der Arbeitsalltag der Freien und der Haustiere durch regelmäßige Ruhephasen unterbrochen (Ex 20,9 f; Dtn 5,13 f).
Nicht nur Einzelne können in Sklaverei geraten. Das Volk Israel insgesamt ist durch die Erfahrung kollektiver Sklaverei in Ägypten (Ex 1,13 f; 2,23) und die durch Gott bewirkte Befreiung aus dieser Sklaverei (Ex 20,2) in seiner Identität grundlegend geprägt. Diese Befreiungserfahrung dient wiederholt dazu, die Rücksicht auf die Menschenwürde von versklavten, fremden und anderen in Not geratenen oder am Rand stehenden Personengruppen einzuschärfen (Lev 19,34; 25,37 f; Dtn 5,15; 15,15).
Wenn in der Bibel Einzelne oder Gruppen Sklaven oder Sklavinnen Gottes (Gen 32,11; Lk 1,48) oder des Gesalbten (Gal 1,10) genannt werden, stehen dahinter Israels Erfahrungen mit dem Gott, der aus Sklaverei befreit, die Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnt (Lev 25,46), Menschen und ihre Arbeit ganz beansprucht, um Befreiungserfahrungen zu ermöglichen: Ihr seid von Gott gekauft worden. Lasst euch nicht von Menschen versklaven!
(1 Kor 7,23). Gott dienen und Menschen dienen (müssen), Gott dienen und Menschen dienstbar machen stehen zueinander im Gegensatz.
(M. L.)