Lukas liest Exodus
Brennende, begriffsstutzige Herzen
Peter Zürn zum Lesejahr C und dem Lukasevangelium
SKZ 47/2009
„… Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt deutlicher: «Oh, ihr seid ja unverständig und schwer von Begriff!» Im Griechischen ist von kardia, dem «Herzen», die Rede. In der Vorstellungswelt der hebräischen Bibel ist das Herz ja das Organ des Denkens und Planens. Dieses Organ versagt völlig. Schiffner spricht von «Begriffsstutzigkeit». Das Problem von Kleopas und X liegt in der Unfähigkeit, das Geschehene von der Schrift her zu deuten und zu verstehen, und genau das passiert dann: Der Fremde, der sich den beiden anschliesst, verweist auf die Propheten; er deutet ihnen ihre Erfahrungen im Licht der gesamten Schrift, «beginnend bei Mose und allen prophetischen Schriften». Es geht also nicht um einzelne, aus dem Zusammenhang gelöste Textstellen oder Weissagungen, es geht um eine Hermeneutik der ganzen Schrift. Begriffsstutzigkeit angesichts der Bibel bzw. der Deutung von Erfahrungen im Licht der Bibel ist so gesehen keineswegs nur ein Phänomen unserer Zeit, sondern begleitet das Christentum seit seinen Anfängen. Die arg kritisierten Kleopas und X sind auch in dieser Hinsicht Identifikationsfiguren. Sie laden uns ein, uns gegenüber der Schrift immer als Lernende zu verstehen. Schriftlernende zu sein und Schriftgelehrte zu werden (was kein Nacheinander, sondern ein gleichzeitiges Miteinander meint), ist für Christinnen und Christen eine wesentliche Haltung und Eigenschaft. …“