„Das weite Herz und die Treue zu Gott“ - Bibelarbeit über 2 Kor 6,11 - 7,4
Kongress der Auslandspfarrerinnen und – pfarrer der EKD, Berlin
Dr. Marlene Crüsemann, Mitherausgeberin der Bibel in gerechter Sprache
03. Juli 2008
… Das Großartige an unserem Text aus der Mitte des 2 Kor ist diese dichte Konzentration alttestamentlicher Exodustexte, die den Menschen aus der Völkerwelt, also auch uns, geliehen und damit auch ein Stück weit verliehen werden im Sinne eines Mitgehens mit Israel. Sie sind eine Art Adoptionsurkunde: „Ich werde euch annehmen!“ (6,17). So werden wir mitgenommen in die Wüste des ersten Exodus aus Ägypten, wenn es auch für uns in dem hier zitierten Wort aus Lev 26,11+12 heißt, dass Gott mitten unter uns vormals Fremden wohnt und sagt: „Mein Innerstes verabscheut euch nicht. Ich wandle in eurer Mitte, und ich bin Gott-für-euch, und ihr“ – also „auch ihr“! – „seid mein Volk.“ Gleichzeitig spricht damit die Verheißung des neuen Bundes aus Jer 31,33, wo dieselben Worte stehen inmitten der Vision, dass die Weisung Gottes, die Tora zum Leben, als Kraft des Geistes in die Herzen der Menschen geschrieben ist. Und auch der 2. Exodus der Geschichte Israels, heraus aus der Großmacht Babylon, klingt an durch die zitierte Aufforderung aus Jes 52,11 herauszugehen, sich zu trennen. Über diesem Herausgehen steht Gottes Verheißung und schützender Beistand. Die eingespielten Worte des hebräischen Textes aus Ez 20 erweisen sich gerade im erweiterten Kontext für uns Nichtisraelitinnen und –israeliten wie eine Prophetie unseres Platzes in der Welt, der christlichen Ökumene: „Ich hole euch heraus aus den Völkern und sammle euch ein aus den Ländern, in die ihr zerstreut worden seid“ (V.34). Und das gilt ausdrücklich allen Menschen in den Gemeinden, Frauen und Männern: mit der Zitierung von 2 Sam 7,14 – „Ich werde für ihn Vater sein, und er für mich Sohn“ – zeigt sich Paulus in 2 Kor 6,18 als ein feministischer Übersetzer, sogar als messianischer feministischer Übersetzer, denn er liest den Text, wie er jetzt gemeint sein soll, dass auch alle Frauen durch die Anrede Gottes gewürdigt werden: aus dem Singular wird ein Plural: „ihr werdet sein“ und aus dem „Sohn“ werden die „Töchter“, es stehen explizit die griechischen Wörter „und Töchter“ (kai thygatéras) da!: „Und ihr werdet meine Töchter und Söhne sein“. Eine neuere Übersetzung (‚Bibel in gerechter Sprache’) weitet lediglich das Vaterbild zum Elternbild und verdeutlicht, dass es sich um ein Bild handelt …