Mt 2,1, 2,7 und 2,16: »Königliche Magier«, »Sterndeuter« oder »Weise«?

Mit »Magier« gibt die Bibel in gerechter Sprache das griechische Wort magoi wieder. Magier wirkten als Priester und Gelehrte, übernahmen staatliche Ämter und hatten großen politischen Einfluss. Sie waren ausgebildet in Astronomie, Astrologie und anderen Wissenschaften. In der Übersetzung »Sterndeuter« (Einheitsübersetzung/Neue Zücher Bibel) oder »Weise« (Luther, Elberfelder) klingen entweder As­trologie oder Gelehrsamkeit an. Die Bibel in gerechter Sprache über­setzt in Mt 2,1 mit »königliche Magier«. Sie drückt damit ihren hohen Rang an Königshöfen aus und will gleichzeitig verhindern, dass die magoi mit modernen Magiern verwechselt werden, wie sie heutzu­tage in Fernsehshows auftreten.
Mt 2 erzählt, dass solche Gelehrte »aus dem Osten« kommen. »Osten« zielt auf die Aufteilung der Welt aus römischer Sicht. Mit dem Parther-reich im Osten, im Gebiet des heutigen Iran, und dem Römischen Reich im Westen war die Welt der Antike in zwei Großmächte aufge­teilt. Beiden lag daran, nebeneinander zu existieren, ohne in aus­ufernde Kriege verwickelt zu werden. Deshalb war es eine häufig geübte Strategie, mit Gefolge anzureisen, um Herrschenden zu hul­digen und sie damit anzuerkennen. In Grenzgebieten wie z. B. Paläs­tina kam es immer wieder zu kleineren militärischen Konfl ikten. Hier waren solche diplomatischen Besuche besonders notwendig.
Aufgrund einer Sternerscheinung vermuten die Magier, in Israel sei ein neuer König geboren. Ihm wollen sie huldigen. »Als König Hero­des davon hörte, erschrak er zutiefst – und ganz Jerusalem auch« (Mt 2,3). Herodes ist in Sorge, die Parther könnten einen anderen Kö­nig als ihn anerkennen. Ganz Jerusalem ist in Angst, weil die Men­schen Schlimmstes befürchten. Sie hatten am eigenen Leibe erlebt, mit welcher Brutalität Herodes Krieg gegen Antigonos, seinen Konkurrenten um den Königstitel, geführt hatte. Beiden ist es wichtig zu wissen, welche diplomatischen Pläne die Magier aus dem Osten hegen.
Diese politisch höchst brisante Situation erzählt Mt 2. Die Magier kommen nach Bethlehem, sind »überwältigt vor Freude« (Mt 2,11) angesichts eines neugeborenen Jungen, seines Vaters und seiner Mutter in einem Stall. Sie huldigen dem Kind und beschenken es reichlich. Dann kehren sie – von Gott geleitet – zurück ins Partherreich. Dass es exakt drei Magier waren, die das neugeborene Kind besuchen, sagt der biblische Text nicht. Dort steht der Plural magoi. Wegen der drei Geschenke Gold, Weihrauch und Myrre (Mt 2,11) ent­wickelte sich die katholische Tradition von den »Heiligen Drei Köni­gen« mit den Namen Kaspar, Melchior und Balthasar.
In Mt 2 erfüllen sich Hoffnungen des jüdischen Volkes, dass Men­schen aus den Völkern kommen, den Messias anerkennen und dass eine Welt des Friedens anbricht. »Die christliche Exegese hat den Text lange antijüdisch gelesen und die Magier mit ›den Heiden‹ (96) identifiziert, die den Messias anerkennen und anbeten, während ›das jüdische Volk‹ ihn ablehnt« (Janssen, S. 10). Die Magier sind Zeugen der Geburt, aber sie werden dadurch weder zu jüdischen noch zu christlichen Menschen. Mt 2 kritisiert die politische Führung, die den Messias bekämpft und damit alle, die auf Befreiung hoffen. Mt 2 ist eine Legende, die dennoch wahr ist. Ihre Friedensvision umfasst auch die gegnerische Großmacht. Denn deren Diplomaten, die Magier, erweisen dem neugeborenen Kind ihre Loyalität.
Nebenbei: Es gibt keinen Beleg, dass auch Frauen als Magierinnen wirkten. Darum gibt die Bibel in gerechter Sprache den Plural magoi mit der männlichen Form »Magier« wieder (23–31).

ZUM WEITERLESEN:
• Claudia Janssen, Seht, der Stern steht still